Donnerstag, 27. Februar 2014

Die erste Runde des Jahres und Golf mit "Aha - Effekt"

So, zurück aus dem Winterschlaf gibt es weniger Neuigkeiten als man nach einer derart langen Pause vermuten sollte. Natürlich wird mich das nicht davon abhalten, trotzdem wieder einen Text mit Überlänge zu verfassen...

Nachdem ich meine letzte Runde des Jahres 2013 irgendwann im Oktober oder November gespielt hatte, war im Dezember noch zwei Mal im Indoor Golfcenter im Ku´damm - Karree. Einmal zum Abschlagen mit meinem Schwager und einmal als Mini - Weihnachtsfeier mit anschließendem Essen mit 2 Kolleginnen und 1 Kollegen aus meinem Substi - Team von der Arbeit. Beide Male musste ich feststellen, dass der dortige Angestellte zwar sehr nett ist und auch sehr gerne und viel mit seinen Gästen redet, vom Golf jedoch überhaupt keine Ahnung hat, auch wenn er gerne so tut.

Dieser Eindruck wurde noch veredelt durch ein zufälliges Treffen meines Schwagers mit ihm auf der Driving Range von Golfer´s Friend. Dort war der gute Mann offenbar um zu versuchen, einen Golfball erstmals nicht nur gegen eine 3 Meter entfernte Leinwand, sondern auf eine wirklich 250 Meter lange Driving Range zu schlagen. Hatte er anfangs noch moniert, die Range sei doch aus seiner Sicht ziemlich kurz geraten, stellte er kurz darauf fest, dass es doch etwas anderes ist, einen Golfball tatsächlich weit zu schlagen, als einer Flugsimulation einer Golfsoftware, mit einer um 20% gepimpten Schlägerkopfgeschwindigkeit zuzusehen und dabei zu glauben, man könne auf Anhieb 300 Meter weit schlagen...

Nun, meine KollegInnen hatten jedenfalls Spaß und der Abend verlief sehr angenehm. Leider ist der Laden mit ca. 20.- €/ Stunde nicht eben preiswert, so dass wir nach gut 2 Stunden fertig waren und Essen gingen.

So viel zu 2013.

Im Januar teilte mein Schwager mir dann mit, dass er eine andere Indoor - Golfanlage aufgetan habe, bei man die 20.- € nicht pro Stunde, sondern pro 18 - Loch - Partie, inklusive vorherigem Einspielen bezahlte. Das ist natürlich ein himmelweiter Unterschied. Noch dazu kann man dort eine 10er - Karte erwerben, die 130.- € kostet, so dass es letztlich nur 13.- € pro kompletter Golfpartie im Simulator sind. Als der Betreiber uns dann auch noch gestattete, zu zweit eine solche 10er - Karte zu teilen, war unser Simulator - Glück nahezu vollkommen. 65.- € pro Nase für 5 gemeinsame Partien, bis das Wetter wieder die Fahr nach Wall zuließe, das klang mehr als fair. Zur 10er - Karte bekamen wir dann auch noch einen Gutschein für eine "Trainerstunde" am Simulator, die normaler Weise ebenfalls 20.- € kostet, dazu jedoch später mehr.

Nach zwei Runden im Simulator wurde nämlich das Wetter ab Mitte Februar so schön, dass wir spontan beschlossen, am 23.02.14 unsere erste Partie des Jahres 2014 in Wall zu spielen. Wir nahmen uns 9 ganz entspannte Löcher vor.

Meine Zielsetzung für das Jahr 2014 legte ich vorher noch fest: Contenance! Ich habe mir ganz fest vorgenommen, immer den Spaß, den Genuss in den Vordergrund meiner Runden zu stellen und meine Erwartungshaltung so gering wie möglich ausfallen zu lassen. Ein hohes Ziel und ich werde voraussichtlich mit fliegenden Fahnen an der Umsetzung scheitern, man sollte jedoch nie die mögliche Wirkung eines guten Vorsatzes, wenigstens für einen kurzen Zeitraum, unterschätzen.

Die Startzeit lautete 12.50 Uhr, etwa eine Stunde vorher rollten wir aufs Gelände. Flugs noch ein paar neue Handschuhe, einen für normales, einen für nasses Wetter, erstanden, dann ging es mit einem Eimerchen auf die Driving Range. Aufgrund meiner ohnehin geringen Erwartungen an diese erste Runde und meine festen Vorsatzes, einfach nur zu genießen, war ich von meinen Rangebällen nicht allzu enttäuscht. Es zeichnete sich allerdings ab, dass ich wohl Recht mit der Vermutung haben würde, dass es ein zäher Start ins neue Jahr werden würde.

Am Abschlag trafen wir dann auf unsere Mitspieler, da an den ersten schönen Wochenenden des Jahres natürlich zu jeder Startzeit nur Vierer - Flights zusammengestellt werden, um all den Golfverrückten einen Start zu ermöglichen. Es handelte sich um ein sehr sympathisches Paar in den 40ern, sie hatte erst im Mai letzten Jahres ihre Platzreife gemacht und lag aktuell bei einem HC von -47, also einen ganzen Schlag besser als ich, er gab sein HC mit "so ungefähr -29" an, wobei ich im Laufe der Runde zu der Vermutung kam, dass er wohl etwas besser sein dürfte... Jedenfalls waren beide sehr nett und vor allem entspannt und schienen sich auch nicht im mindesten daran zu stören, dass sie mit Anfängern auf die Runde mussten.

Die Runde ging - wie um meine guten Vorsätze für dieses Jahr auf die Probe zu stellen - schlechtest möglich los. Gleich mein erster Abschlag ging schnurgerade gut und gerne 20 Meter weit, während  mein Schwager natürlich mal direkt 150 Meter vorlegte... Es ging mit zwei weiteren Hoppelbällen weiter, dann jedoch packte ich mein 8er Eisen aus und es folgte ein wunderschöner Ball, der fast noch übers Grün hinaus gerollt wäre, weil ich ihn viel besser getroffen hatte als erwartet. Nun lag allerdings ein Putt über ca. 18 Meter vor mir, so dass der Dreiputt quasi vorprogrammiert war. So kam es dann auch, wobei ich mit insgesamt 7 Schlägen am ersten Loch noch immer 2 Nettopunkte holte - also alles in Ordnung. Erstaunlicher Weise war ich auch noch immer vollkommen locker und hatte Spaß.

Am zweiten Abschlag wiederholte sich das Schauspiel vom ersten, allerdings flog, nun ja, hoppelte der Ball nur noch ca. 15 Meter weit. Da ich aber irgendwie gut drauf und immer noch locker war, gelang mir anschließend ein sehr schöner Schlag mit meinem Hybrid 5, danach gleich noch einer, wobei letzterer ein wenig zu weit rechts blieb und nicht über das zum Glück sehr kurz gemähte Rough auf das Fairway flog, sondern ca. 100 Meter vom Grün entfernt, darin liegen blieb. Überraschender Weise brachte mein nächster Schlag aus dem Rough den Ball in einer wunderschönen Flugkurve bis kurz vor das Grün, auf welches er nach dem Aufkommen noch einige Meter rollte. So machte ich mit 2 Putts und insgesamt 7 Schlägen auf diesem zweiten Loch glatte 3 Nettopunkte und allmählich kehrte auch ein wenig das Spielgefühl zurück.

Auch den dritten Abschlag traf ich nicht optimal, der Ball kam zwar ins Fliegen, blieb aber knapp über der Grasnabe und senkte sich, ungefähr 1 Meter zu früh, genau vor dem nach etwa 100 Metern quer verlaufenden Graben, so dass der Ball genau in die Rückwand des Grabens einschlug, statt darüber hinauszugehen und auf das wenige Meter weiter beginnende Fairway zu rollen. Hier riss dann wieder der Faden ab. Nach meiner Freude über die 5 Punkte nach den ersten 2 Löchern kamen hier keine mehr hinzu. Machte mir aber nichts aus, frisch ans Werk auf Bahn 4. Auch hier war der Abschlag suboptimal, der Ball schaffte es aber immerhin über den Damenabschlag hinweg und bis aufs Fairway. Zwei Schläge später lag ich auf diesem, lt. Score Card schwersten, Par 4 des Platzes neben den Fairwaybunkern noch etwa 100 Meter vom Grün entfernt. Mein 8er Eisen erwies mir auch hier wieder gute Dienste, der Ball passierte sicher Bunker und Teich und landete auf dem Grün. Zwei Putts später waren die nächsten 3 Punkte eingefahren und die Statistik wieder in Ordnung.

Was für ein schönes Gefühl es war, im in Wall immer etwas böigen Wind zu stehen und gemeinsam mit netten Menschen wieder Bälle durch die Gegend zu kloppen.

Am folgenden Par 3 gelang mir mein bis dahin bester Abschlag, wobei er leicht nach links abdriftete und ich schon fürchtete, dass es der erste Ball werden könnte, den ich bei dieser Bahn links ins Aus und über den Weidezaun schlagen würde. Dem war nicht so, knapp neben Zaun und Gebüsch kam der Ball freundlicher Weise mittig neben dem Grün zum Liegen. Mein Chip aufs Grün war leider sehr kurz, so dass ich trotzdem noch 2 Schläge brauchte, um ihn mit dem vierten einzulochen. Trotzdem war das bis hierher eine mehr als ordentliche Bilanz.

Auf dem anschließenden Par 4 spielte ich meinen einzigen wirklich guten Abschlag des Tages. Schnurgerade flog der Ball etwa 120 Meter weit in die Mitte des Fairways. Das war zwar nicht besonders lang, nicht einmal für meine Verhältnisse, dafür war der Ballflug schön und die Ausgangsposition für die restliche Bahn gut. Ich lochte dann auch erneut mit dem 6ten Schlag ein und verbuchte weitere Punkte.

Als wir zu viert und immer noch sehr guter Laune in Richtung des 7. Abschlages - desjenigen über das Wasser - schlenderten, ging mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich bislang noch keinen Ball auf dieser Runde verloren hatte. Als nächstes fiel mir der Teich ein, über den gleich abschlagen müsste und dessen Bild bekam ich nicht mehr aus dem Kopf. Ich schlug zwei Bälle in den Teich und strich das Loch. Irgendwie kam ich dadurch scheinbar aus dem Rhythmus, denn in der Folge lief nichts mehr, so dass ich am Ende mit 15 Nettopunkten die 9 Löcher beendete.

Der Abriss gegen Ende war nicht angenehm und auch ein bisschen unerklärlich - aber hey, es war die erste Runde der Saison und ich hatte es geschafft, keine überhöhten Erwartungen an mich zu stellen und mich einfach über das Spiel zu freuen - also alles gut! :-)

Gestern ging es dann wieder in den Golfsimulator, schließlich mussten wir in der Wintersaison noch 3 Runden unserer 10er - Karte abspielen, die wollten wir nicht bis zur nächsten Wintersaison aufheben. Mein Schwager kam dann mit dem Gutschein für die "Trainerstunde" um die Ecke und fragte den Betreiber, der angesichts der Tatsache, dass der Laden "Kim Screen Golf" heißt und er offenkundig Koreaner ist, vermutlich Kim heißt, ob er Zeit dafür hätte. Dieser antwortete zunächst, dass so ein Gutschein immer nur für eine Person gültig wäre. Als ich dann meinem Schwager anbot, die Stunde ganz zu nehmen, lenkte Kim (ich nenne ihn jetzt einfach mal so) aber ein und meinte, es sei kein Problem, er könne auch einfach uns beiden ein paar Tipps geben.

Er beobachtete 3 oder 4 meiner Abschläge aus zwei verschiedenen Positionen, danach ging er an den Simulator. Er markierte auf der Video - Wiederholung meines letzten Abschlages meine Kopfposition und die Schlägerführung und bewertete beides als gut. Allerdings stellte er fest, dass ich in der Ansprechposition mit zu hoch aufgerichtetem Oberkörper stand, wodurch der Schwung aus der Balance geriet und irgendwie "unrund" wurde. Diese Position sei es auch, die es mir häufit so schwer mache, den Ball immer gleich hoch zu treffen, wodurch ich den Ball oft zu fett träfe und andere Male wieder toppte. Wie er nach Ansicht dieser wenigen Abschläge so umfassend meine Probleme beschreiben konnte - wenn auch in sehr gebrochenem Deutsch, durchsetzt von einigen englischen Vokabeln - war mir schleierhaft. Er ließ mich eine tiefere Position mit dem Oberkörper einnehmen, wodurch die Schwungkurve insgesamt sofort  flacher wurde. Ich traf anschließend mit dem Eisen 7 fünf oder sechs Bälle in Folge fast gleich, jeder flog zwischen 105 und 115 Metern weit. Erneut, keine große Weite, ich musste jedoch etwas vorsichtiger schwingen, weil die Position für mich so neu war.

Dann meinte er noch, dass der Schläger bei der Ansprache des Balles nicht voll auf die Sohle gestellt werden sollte. Vielmehr sollte der Schlägerkopf etwas schräg auf dem Boden aufliegen, so dass zwischen dem vom Spieler entfernten Ende des Schlägerkopfes und dem Boden ein paar Millimeter Luft wären. Durch die tiefere Körperhaltung und den damit flacher gehaltenen Schaft löste sich dieses Problem aber quasi auf natürliche Art.

Mehr wollte Kim für diesen Abend bei mir nicht korrigieren, weil er meinte, man sollte immer nur den schwerwiegensten Fehler korrigieren und dies dann üben, dadurch würden sich andere Probleme oft von selbst erledigen oder verändern, so dass man erst dann mit der Fehlerkorrektur fortfahren sollte, wenn der erste beseitigt und der neue Bewegungsablauf automatisiert wäre.
Aus Jux und Dollerei probierte ich die neue Position anschließend mit dem Driver meines Schwagers, ich selbst habe ja keinen mehr, weil ich damit immer solche Probleme hatte. Auf Anhieb traf ich auch hier den Ball mehrfach hintereinander und er flog schnurgerade, jeweils zwischen 130 und 160 Meter weit. Die Zuverlässigkeit meiner Treffer war unglaublich.

Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, in meiner Ansprechposition quasi "einzurasten", wie mein Schwager es so schön formulierte, und diese Haltung jederzeit reproduzieren zu können. Das war nach längerer Zeit wieder einmal Golf mit "Aha - Effekt".

Natürlich wurde ich irgendwann nachlässig und verlor für ein paar Löcher auf dem anspruchsvollen Videokurs in Seoul meinen Schwung vollständig. Ich machte aber beharrlich weiter und auf den letzten Löchern kam er zu mir zurück. Fortan schlug ich auch mit dem Driver wieder zuverlässig gerade Bälle auf die Fairways, es war unglaublich.

Alles, was ich mich nach dieser Erfahrung noch frage ist, wieso das weder während meine Platzreifekurses, noch während meiner bisherigen Trainerstunden in Wall, jemald einem Trainer aufgefallen ist, dass ich eine zu hohe Position mit dem Oberkörper einnehme. Wenn ich überlege, welche spontanen Auswirkungen auf meine Treffsicherheit alleine diese kleine Korrektur bereits hatte, wage ich nicht, mir vorzustellen, wie sich mein Spiel entwickeln könnte, wenn ich die Veränderung wirklich verinnerlicht habe.

Fast wäre ich nach dieser Erfahrung geneigt, wieder einmal dem kürzesten aller Golferwitze die Ehre zu geben und zu bemerken: "Ich kann´s jetzt."
Allerdings bin ich inzwischen auch schon erfahren genug, um zu wissen, dass das nächste Problem spätestens dann auftauchen wird, wenn ich das nächste Mal die Schläger in die Hand nehme. Ich hoffe allerdings trotzdem, dass dies bald der Fall sein wird, denn ich möchte die neue Schwungposition unbedingt in freier Wildbahn ausprobieren und sehen, ob sich, über eine 9 - Loch - Runde gerechnet, wirklich etwas an der Zuverlässigkeit meiner Treffer ändert. Wenn ich dadurch nur die Hälfte meiner Kullerbälle vermeiden könnte, wäre bereits sehr, sehr viel gewonnen und ich könnte dieses Jahr tatsächlich auf eine weitere HC - Verbesserung hoffen.


P.S.: Unnötig, zu erwähnen, dass mein Schwager, nachdem Kim seine Griffhaltung leicht verändert hatte und er ebenfalls die tieferen Schwungstellung übernahm, alles in Grund und Boden golfte, Pars und Bogeys in Reihe produzierte und am Ende der 18 Löcher mit einem (theoretischen) neuen HC von -31 da stand. Ich hasse ihn... :-)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen