Sonntag, 18. August 2013

Besser is das...

Part One
 
Am vorigen Sonntag, heute vor genau einer Woche, war es mal wieder soweit. Nachdem ich mich mit meinem Junior für ein paar Tage in einer völlig anderen Welt befunden (siehe Vorthread) und hernach eine Woche lang wieder der Alltag eingekehrt war, hieß es: eine schöne Runde Golf in Wall mit meinem Schwager.
 
Wir hatten ein Auge auf den am Samstag darauf (also gestern) stattfindenden "Aldiana - Beginner Cup" geworfen, welcher in jedem Jahr in unserem Heimatclub ausgetragen wird und - anders als die Beginner Cups, an denen wir bislang teilgenommen hatten - über die Distanz von 18 Löchern ausgetragen wird.
 
Da wir die Back 9 in Wall erst 2 x und die gesamten 18 Löcher sogar erst 1 x gespielt hatten, wollten wir daher eine "Generalprobe" einlegen, um uns ein Bild von der Belastung zu machen, die uns erwarten würde, wenn wir uns für eine Teilnahme entschieden.
 
Um die 18 Löcher auch wirklich bei Tageslicht zu schaffen und im Idealfall anschließend noch etwas Zeit zu haben, um den Restsonntag mit unseren Familien zu verbringen, hatten wir beschlossen, morgens zu starten. Wir trafen uns daher schon um 8 Uhr früh und fuhren in Richtung Wall. Unterwegs rief ich dort an und reservierte uns eine Startzeit um 9.30 Uhr.
 
Wir waren pünktlich vor Ort und schlugen uns unspektakulär ein. Als wir dann zum ersten Abschlag gingen, trafen wir dort auf ein anderes Paar. Man hatte uns, weil am Wochenende die Startzeiten begehrt sind, zu einem Vierer - Flight zusammengefasst. Die HC der beiden waren deutlich besser als unsere (so um die 26 habe ich im Gedächtnis). Sie waren aber sehr entspannt. Wir stellten einander vor und unser plötzlicher Mitspieler hatte die Ehre des ersten Abschlages. Bereits am ersten Loch - welches ich zum allerersten Mal mit einem erfreulichen Bogey und somit mit 4 Nettopunkten abschloss - wurden die Leistungsunterschieden zwischen uns überdeutlich.
 
Obwohl die beiden sehr nett waren hatten mein Schwager und ich das deutliche Gefühl, sie aufzuhalten, was nie gut für den Spielrhythmus ist. Außerdem waren sie angesichts des unerwartet relativ kühlen und windigen Wetters ziemlich dünn angezogen und litten offenbar auch ein wenig unter diesen Bedingungen. So hatten sie ziemlich zu Beginn überlegt, nur die ersten 9 Löcher zu spielen und dann abzubrechen. Wir entschieden daher, den beiden vor dem zweiten Abschlag anzubieten, ohne uns weiter zu spielen. Da uns aktuell kein Flight direkt folgte, konnten wir es uns dann erlauben, ein paar Minuten zu warten und als Zweier - Flight hinterher zu spielen. Unser Vorschlag wurde recht dankbar angenommen und ab Loch 2 waren mein Schwager und ich daher wieder unter uns. Unsere Mitspieler hatten jeweils sehr kurze Schlagvorbereitungszeiten, so dass sie schnell einen Vorsprung auf uns herausgespielt hatten und wir tatsächlich nie hinter ihnen warten mussten.
 
Leider waren im Anschluss nicht nur unsere beiden Mitspieler, sondern auch mein, am Loch 1 erfreulich gutes Golfspiel verschwunden. Es begann eine echte Katastrophenrunde. Für meinen Schwager galt das Gleiche. Wenn man das Verhältnis von Fähigkeiten zum jeweiligen Zeitpunkt und Ergebnis der Runde zugrunde legt, war es vermutlich die schlechteste Golfrunde, die wir spielten, seit wir mit diesem Sport begonnen haben.
 
Im Laufe der ersten 9 Löcher tauchte hinter uns ein Dreier - Flight recht sportlich und zügig spielender Männer auf, die wir aber, da wir nur zu zweit waren, die ganze Zeit in einem Abstand von ca. 1,5 Löchern hinter uns halten konnten - für uns, gerade angesichts unseres sehr schlechten Tages, schon ein gutes Ergebnis im Hinblick auf unsere Spielgeschwindigkeit. Unser Resultat nach den ersten 9 Löchern war so unterirdisch, dass wir ernsthaft überlegten, ob wir uns die zweiten 9 noch antun sollten.
 
Angesichts des 6 Tage später stattfindenden Turniers und der immer noch bestehenden Möglichkeit, dass wir uns zu einer Teilnahme entschließen würden, wollten wir uns aber wenigstens ein bisschen damit vertraut machen und beschlossen daher, auch die Back 9 noch zu spielen. Vorher machten wir allerdings eine kurze Trink- und Toilettenpause von ungefähr 10 Minuten.
Dann konnte es weitergehen. Der 10. Abschlag geht in Wall über den Königsgraben in etwa 50 oder 60 Meter Entfernung, der nicht nur von dichtem Uferbewuchs, sondern auch von diversen höhen Bäumen gesäumt ist. Es gilt also, zwischen den Bäumen hindurch über den Graben zu spielen, um auf der anderen Seite in einer möglichst günstigen Lage für den zweiten Schlag zu sein, der erneut über einen - allerdings schmaleren und trockenen - Graben auf der linken und über einen großen Teich auf der rechten, zur Fahne direkteren Linie führt. Meinen Abschlag brachte ich über den Königsgraben, mein zweiter landete allerdings in dem trockenen Graben. Dort brachte ich den Ball mit einiger Mühe und zwei Schlägen heraus, dafür landete er im Grünbunker.
 
Im Näherkommen sah ich, dass in diesem Bunker gerade eine große Pfütze stand - zeitweiliges Wasser - wie das im Golfjargon heißt. Mein Ball lag am Rand dieser Pfütze im Wasser. Da mir das, seit ich Golf spiele, zum ersten Mal passierte, überlegte ich kurz, wie die Regel für eine Spielbehinderung durch zeitweiliges Wasser lautete. Da ich mir unsicher war, zog ich mein Regelwerk zu Rate, während mein Schwager - um keine unnötige Zeit zu verlieren - schon mal seine Putts erledigte.
 
Gerade als er damit fertig war, ich blätterte vielleicht seit einer Minute im Regelwerk, war hinter uns ein lautes: "Heeeeeyyyy" zu vernehmen. Dies in einem so aggressiven Tonfall, dass im Subtext unüberhörbar: "Verpisst euch oder es gibt auf die Fresse" mitschwang. Ich drehte mich erschrocken um und sah das Dreier - Flight, das wir auf den ersten 9 Löchern schon hinter uns gehabt hatten und das durch unsere Pause vor dem 10. Abschlag und meine etwas langwierigen Versuche, den Ball aus dem Graben zu bekommen, inzwischen zu uns aufgeschlossen hatte und nun hinter uns wartete. Mein Schwager hatte sie kommen sehen und bestätigte anschließend meine Annahme, dass die drei vor ihrem aggressiven und völlig unangemessenen Zwischenruf noch keine Minute dort gestanden hatten. Sie hatte mich einfach im Regelbuch blättern sehen und dies - ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass mein Schwager in der Zwischenzeit weiterspielte und daher keinerlei Verzögerung entstand - als Zeichen gewertet, dass wir unnötig Zeit verplemperten und so ihr eigenes Spiel mutwillig und vielleicht sogar absichtlich verzögerten. Da ich keine Lust hatte, mich auf eine Diskussion mit derart aggressiven Idioten einzulassen, spielte ich den Ball schnell aus dem Wasser, denn den Ball so zu spielen, wie er liegt, kann nie ein Regelverstoß sein.
 
Zwar spritzte ich mich bei dieser Aktion etwas nass, allerdings gelangte der Ball nur bis an den Bunkerrand und nicht aufs Grün, so dass ich ihn aufgrund meiner Schlagzahl ohnehin aufnehmen konnte und wir uns in Richtung des 11. Abschlages auf den Weg machten. Da wir auch auf den ersten 9 Löchern durchgehend schneller als die 3 Prolos hinter uns gewesen waren, würden wir uns sicherlich schnell wieder etwas absetzen können...
 
Unter dem Druck der uns dicht auf den Fersen nachspielenden Typen wurde unser Spiel allerdings in den nächsten Minuten nicht unbedingt besser, so dass wir zunächst keinen entscheidenden Abstand mehr herstellen konnten. Zwar legten die drei "Golfexperten" ihrerseits eine Pinkelpause auf dem Weg zum 11. Abschlag ein, allerdings erledigten sie ihre Geschäfte mitten auf dem Weg und pinkelten in die Büsche, aus denen andere Golfer dann demnächst wieder ihre verschlagenen Bälle heraussuchen müssen. So verloren sie zumindest nicht viel Zeit und es wäre ja auch wirklich abwegig gewesen, einfach kurz zuvor, vor dem 10. Abschlag, einfach im Clubhaus die Toilette zu benutzen.
 
Beim Abschlag auf der 12 verschlug mein Schwager seinen Ball dann ins rechte Rough und weil wir ihn zwar nicht sofort wiederfanden, allerdings aufgrund des recht kurz gemähten Roughs annahmen, dass uns dies noch gelingen würde, beschlossen wir, das nachfolgende Flight durchspielen zu lassen, auch deshalb, weil wir uns dann nicht mehr ständig über sie ärgern würden, sondern sie nach vorne etwas Abstand gewinnen könnten, wenn wir uns etwas Zeit ließen.
 
Wir winkten die Truppe also durch. Als die drei Männer in ihren späten Vierzigern an uns vorbei gingen, schafften es die ersten beiden noch, sich zumindest anständig für das Angebot des Durchspielens zu bedanken und uns noch ein schönes Spiel zu wünschen, was immerhin einigermaßen für ihr unmögliches Verhalten vorher versöhnte.
Der Dritte allerdings schaffte es, dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen. Es handelte sich offenkundig um den Schreihals vom 10. Loch.
 
Er hielt auf unserer Höhe an, nachdem seine beiden Partner uns bereits passiert hatten und sprach uns an: "Halloooo? SIE SPIELEN VIIIIIEEEEEEL ZU LANGSAM! Sie haben erst am 10. Abschlag angefangen, oder?" Diese Frage zeigte, dass sie auf den ersten 9 Löchern offenbar nie nah genug an uns herangekommen waren, um zu bemerken, dass wir schon die ganze Zeit vor ihnen gespielt hatten und sie nur durch unsere Pause hatten aufschließen können. Ich beantwortete ihm seine Frage indem ich mitteilte, dass wir heute am 1. Abschlag begonnen hatten. Darauf er: "Aha, am ersten Abschlag. Na, wie auch immer - SIE SPIELEN VIEL ZU LANGSAM! SIE SIND SCHLIESSLICH NUR ZU ZWEIT UND WIR ZU DRITT, SIE MÜSSTEN VIIIEEEL SCHNELLER SPIELEN ALS WIR." Die Großschreibung soll hierbei natürlich die Deutlichkeit und Lautstärke seines Vortrages verdeutlichen. Abschließend meinte er noch: "UND ÜBERHAUPT, WAS SIE DA AM GRÜN VON LOCH 10 ABGEZOGEN HABEN - DAS GEHT GAAAAR NICHT! SICH DA SO VIEL ZEIT ZU LASSEN, WÄHREND WIR WARTEN - DAS IST PUUUUURE PROVOKATION!" Danach sah er uns herausfordernd, mit breiter Armstellung und vorgerecktem Kinn an und wartete, ob wir es wagen würden, auf seine Weisheiten etwas zu erwidern. Seiner Körpersprache nach stellte er sich auf eine Schlägerei ein.
 
Kurz überlegte ich, ob ich ihn darüber aufklären sollte, dass "Belehrungen", wie die soeben von ihm geäußerten, in der Golfetikette nicht nur unerwünscht, sondern bei drohende Spielausschluss ausdrücklich verboten und seine "Pinkelaktion" auch nicht gerade vorbildlich war, entschloss mich dann aber, an dieses besonders intelligente Exemplar keine weitere Zeit zu verschwenden und sah ihn daher nur weiter an. Schließlich kam die Information, dass wir uns offenbar auf keine weiteren Streitigkeiten einlassen wollten, auch in seinem Kleinhirn an und mit einem ob dieser Tatsache leicht beleidigt klingenden "SCHÖNES SPIEL", aus dem der Sarkasmus überdeutlich triefte, trollte er sich in Richtung seiner wartenden und scheinbar auch etwas peinlich berührten Mitstreiter.
 
Im weiteren Verlauf ließen wir uns bewusst ein wenig mehr Zeit, damit die drei vor uns etwa 1 Loch Vorsprung erlangen und halten konnten, denn wir wollten uns bei ihrem ständigen Anblick nicht immer wieder ärgern, sondern uns ohnehin schon schlechtes Spiel an diesem Tag wenigstens noch mit guter Laune genießen, soweit das noch möglich war.
 
Unsere Konzentration war nun allerdings vollkommen dahin und stellte sich auch nicht wirklich wieder ein. Die letzten 4 Löchern des Kurses waren für mich allesamt "Streicher", bei denen ich den Ball jeweils vorzeitig aufnahmen, bzw. nach mehrfachen Schlägen in die Wasserhindernisse keinen neuen mehr droppte.
 
Auch für meinen Schwager lief es nicht viel besser und am Ende standen wir beide, er mit 23 Nettopunkten bei 7 gestrichenen Löchern und ich sogar mit nur 19 Nettopunkten bei sage und schreibe 11 Streichern mit einer mehr als mageren Punkteausbeute da. Außerdem empfanden wir die ganze Runde als extrem mühselig und waren nun wirklich müde und vollkommen erledigt. Insgesamt nährte dieses Ergebnis natürlich erhebliche Zweifel, ob es wirklich eine gute Idee war, uns für das 6 Tage später stattfindende Turnier anzumelden, weil wir uns dabei eigentlich nur blamieren konnten.
 
Letztlich warteten wir bis zum Donnerstag, dem letzten Tag der Anmeldefrist, ehe wir uns entschlossen, unter der Voraussetzung, dass wir zusammen in einem Flight spielen durften, und ohne jegliche Erwartung an das Ergebnis, teilzunehmen. Wir wollten einfach die Erfahrung eines Turniers über 18 Löcher mitnehmen und dabei so viel Freude wie möglich haben...
 
Part Two
 
Der Samstag des Turniers kam und ich holte meinen Schwager, der noch mit einem Sommerfest der Schule seiner Tochter in Beschlag genommen war, um 12 Uhr ab. Nach einem kurzen Tankstopp ging es direkt nach Wall, wo wir um kurz vor 13 Uhr planmäßig eintrafen.
 
Bei der Anmeldung erfuhren wir, dass unser Dreier - Flight, das als letztes im Turnier, um 14 Uhr starten sollte, vermutlich noch einmal geteilt werden müsse. Ein Spieler aus dem für 13.10 Uhr vorgesehenen Flight hatte angerufen, um seine verspätete Ankunft aufgrund eines Staus anzukündigen. Daher sollte mein Schwager oder ich in das frühere Flight eingeordnet werden, damit dieses in voller Mannstärke starten konnte. Sollte der Stausteher noch rechtzeitig eintreffen, würde er dann als dritter Mann unser letztes Flight komplettieren.
 
Nachdem ich allerdings darauf hingewiesen hatte, dass wir für das Turnier eigentlich nur gemeldet hatten, wenn wir zusammen spielen konnten und dass wir dies aus moralischen Gründen - vor allem aufgrund der miserablen Runde vom vergangenen Sonntag - benötigten, kam man uns allerdings entgegen, ließ und als Zweier - Flight zusammen und zog stattdessen die mit uns eingeteilte Dame nach vorne. Nachdem wir uns noch mit frischen Bällen versorgt hatten, gingen wir uns einspielen.
 
Nach einer kleinen Challenge mit unserem Trainer Jack, den wir am Putting Green zufällig trafen, und die unentschieden ausging, gingen wir noch auf die Driving Range und schlugen jeder ein paar Bälle mit unseren Lieblingsschlägern ab, um uns auf die kommende Runde vorzubereiten. Beruhigend dabei war, dass unsere Abschläge, wenn auch durchwachsen, immerhin nicht so übel waren, wie ein Großteil unserer Schläge bei der Runde zuvor. Dies nährte die Hoffnung, uns heute nicht vollends zu blamieren, obgleich wir uns schon auf dem Hinweg erneut darauf eingeschworen hatten, heute völlig Ergebnis unabhängig und keinesfalls von einer HC - Verbesserung ausgehend, einfach die Erfahrung mitzunehmen und das Spiel zu genießen.
 
Etwa 10 Minuten vor unserer Abschlagzeit gingen wir zum Tee 1, um uns für unseren Turnierbeginn anzustellen. Dort trafen wir noch auf das vor uns startende Flight und hatten gerade noch Zeit, ihnen ein schönes Spiel zu wünschen. Unter ihnen befand sich unter anderem eine Mitspielerin, mit dem mein Schwager bei einem unserer ersten Turniere im Flight zusammen gespielt hatte, was offenkundig für beide eine sehr schöne Erinnerung darstellte. Die bis zu unserem Start verbleibende Zeit nutzte ich noch für einen kurzen Toilettengang - immer eine wichtige Sache, wenn man mehrere Spielstunden vor sich hat. Beim Händewaschen betrat ein junger Mann die Toilette und teilte mir mit, dass er soeben unserem Flight zugeteilt worden sei und wir somit doch zu dritt spielen würden. Es handelte sich dabei offenbar um den Teilnehmer, der sich im Stau befunden und deshalb nicht pünktlich hatte starten können.
 
Wieder am Abschlag angekommen, stellten wir uns einander vor und vereinbarten noch die veränderte Zähler - Konstellation. Zuvor hätten mein Schwager und ich unsere Schläge gegenseitig zählen müssen, nun konnten wir, wie sonst auch bei Turnieren üblich, "im Kreis" zählen. Das heißt, ich würde unverändert die Schläge meines Schwagers zählen, dieser jedoch nicht meine, sondern diejenigen unseres neuen Mitstreiters und dieser wiederum die meinigen. Nachdem das geklärt war, konnte es pünktlich um 14 Uhr losgehen. Mein Schwager hatte die Ehre des ersten Abschlages, weil er als einziger von uns bereits sein HC hatte verbessern können und über eines von -48 verfügte, während unser junger Begleiter und ich selbst unverändert bei -54 standen. Der Unterschied war allerdings, dass ersterer erst seit Dezember 2012 spielte und es sich um seine erste Turnierteilnahme handelte, während ich bereits den fünften Anlauf wagte, erneute ohne jede Aussicht auf eine Verbesserung. Davon wollte ich mich heute aber nicht entmutigen lassen.
 
Nachdem mein Schwager einen sehr guten ersten Abschlag hatte sehen lassen, ließ ich unserem Spielpartner, nennen wir ihn der Einfachheit halber Max, den Vortritt am Abschlag. Selbiger misslang ungefähr genauso wie meiner, in der Folge konnten wir aber alle drei am ersten Loch punkten. Ich selbst - genau wie in der Vorwoche - lochte mit dem 5ten Schlag ein und verbuchte so erste 4 Punkte, womit ich ausgesprochen zufrieden war. Andererseits hatte es eben vor einer Woche genauso gut angefangen und war dann doch noch zu einer Katastrophe ausgeartet, so dass Entspannung noch nicht angesagt war.
 
Nachdem ich allerdings auch am zweiten Loch - dem längsten Par 5 auf dem Platz - 3 Nettopunkte mitnehmen konnte, wuchs natürlich allmählich wieder die Hoffnung, vielleicht doch ein unerwartet gutes Ergebnis erzielen zu können. Diese wurde jedoch sofort am nächsten Abschlag zunichte gemacht. Nachdem es mir 2 x hintereinander nicht gelungen war, meinen Ball über das dortige lang gewachsene Rough und den dahinter quer verlaufenden Graben zu bringen, strich ich dieses Loch, denn ein dritter Abschlag hätte dank der Strafschläge bereits den 5. Schlag an diesem Loch bedeutet und somit gab es keine Aussicht für mich, hier noch punkten zu können. Durch die guten Ergebnisse der ersten beiden Löcher war ich aber trotz des Lochverlustes nach 3 Löchern immer noch mit einem Punkt im Plus, so dass ich entspannt weiterspielen konnte.
 
Am vierten Loch - dem nominell schwierigsten des Platzes - hatten wir alle einen Extra - Schlag, wie wir bereits vor dem Turnier mit Blick auf unsere Score Cards festgestellt hatten. Für Max - dessen erste Turnierteilnahme bis dahin noch nicht sonderlich erfolgreich, jedoch auch nicht katastrophal verlaufen war, der aber stimmungsmäßig super zu meinem Schwager und mir passte, so dass wir bislang viel Spaß auf unserer Runde hatten - und uns bedeutete das, dass wir für dieses Par 4 acht Schläge zur Verfügung hätten, um 2 Nettopunkte zu erhalten. Nach einem schlechten Abschlag und einem mittelmäßigen zweiten hatte ich beim dritten Schlag Glück, dass der Ball statt in einen der drei Fairway Bunker genau dazwischen auftippte und hinter den linken ins kurz gemähte Semi Rough flog, von wo er gut spielbar war. Überhaupt hatte ich mich in den letzten Monaten mit diesem 4. Loch recht gut angefreundet, Schwierigkeitsgrad hin oder her. Weder die Bunker, noch das rechts dahinter befindliche, noch recht neu angelegte Wasserhindernis in Form eines großen Teiches, hatten mir bislang sonderliche Schwierigkeiten bereitet. Manchmal mag man ein Loch einfach. Dass wir ausgerechnet hier einen Schlag mehr zur Verfügung hatten, kam mir da natürlich zugute. Mein vierter Schlag mit dem 9er Eisen zeigte dann auch eine wunderschöne Flugkurve und der Ball landete kurz vor dem Grün. Von dort rollte er noch ein paar Meter und blieb letztlich auf dem Grün, noch etwa 9 oder 10 Meter vom Flaggenstock, auf dem Grün liegen. Es gelang mir, mit 2 Putts einzulochen, so dass ich hier, dank des Extra - Schlages, sogar 4 Nettopunkte mitnehmen konnte.
 
Dafür lief das nächste Loch gleich wieder schlecht. Zwar landete mein, mit dem 8er Eisen gespielter Abschlag direkt auf dem Grün, allerdings leistete ich mir dann nicht 3, nicht 4, sondern wahnsinnige 5 Putts, bis die weiße Murmel endlich im Loch war. Hier nur 2 Punkte geholt zu haben, war nach diesem Abschlag wirklich enttäuschend.
 
Dafür wendete sich das Glück bereits wieder am nächsten Loch, ein munteres Hin und Her, diesmal. Ich lochte auf dem Par 4 mit dem 5ten Schlag ein und machte die zuvor liegen gelassenen Punkte so gleich wieder wett.
 
Als wir die ersten 9 Löcher beendeten, stand ich mit für mich völlig überraschenden und wirklich unerwarteten 26 Nettopunkten da, was eine Verbesserung meines HC um satte 8 Punkte bedeutet hätte, wenn das Turnier zu diesem Zeitpunkt beendet gewesen wäre.
 
Leider war das nicht der Fall und sofort wuchs bei mir die Sorge, den errungenen Erfolg auf den Back 9 sofort wieder zunichte zu machen.
 
Am 10ten Abschlag entstand dann ein kleiner Stau. Das vor uns spielende Dreier - Flight musste seinerseits noch auf die Spieler vor ihnen warten, bis diese weit genug gekommen waren, damit die nächsten Abschläge gefahrlos stattfinden konnten. Die so entstehende Pause nutzte mein Schwager, um uns gleich mal aus dem Automaten zwei frisch gekühlte Getränke zu besorgen und im Übrigen quatschten wir ein bisschen mit dem vor uns spielenden Flight und mit unserem Mitspieler Max, mit dem wir bis hierhin weiterhin viel Spaß gehabt hatten, obwohl das Turnier bislang noch weitgehend an ihm vorbeilief. Er nahm es aber relativ locker und hoffte auf die Back 9.
 
Als es schließlich weitergehen konnte, gelang mir von uns dreien der schönste Abschlag über den Königsgraben. Der Ball zischte richtig ab und machte sicherlich 150 Meter. Außerdem blieb er in einer Entfernung zum nachfolgenden Graben und in einem Winkel zum rechts liegenden Teich liegen, der es erlaubte, relativ gefahrlos mit dem zweiten Schlag direkt die Fahne anzugreifen. Während meines Rückschwunges glitten meine Gedanken noch ab und ich hoffte, nicht ausgerechnet in den vor dem Grün platzierten Bunker zu schlagen. Ob das die entscheidenden Prozente an Konzentration kostete oder sonst etwas schief lief, konnte ich nicht einschätzen, jedenfalls traf ich den Ball nur mit der äußersten rechten Kante der Schlagfläche, so dass dieser in einem hohen Bogen und mit einem ansehnlichen Slice mitten in den Teich flog. Nun musste ich einen Ball hinter dem Teich droppen und mir dafür einen Strafschlag anrechnen. Ob aus Ärger über diesen völlig unnötigen Fehlschlag - oder warum auch immer - ich schaffte es in der Folge, zwei weitere Bälle im Teich zu versenken und musste das Loch streichen - nach diesem tollen Abschlag wirklich ärgerlich.
 
Danach brauchte ich einige Schläge, um wieder in meinen Spielrhythmus zu finden. Beim 11. Loch machte ich aber immerhin noch 1 Punkt und ab dem 12. war ich wieder einigermaßen im Spiel. Auch für Max liefen die Back 9 vom 10. Abschlag an deutlich besser als die "Hinrunde". Er punktete konstant und hatte nun seinerseits an vielen Löchern die Ehre des ersten Abschlages. Auf den ersten 9 Löchern hatte ich bei den meisten Löchern als erster abschlagen dürfen. Für meinen Schwager lief es zwar auch besser als nach der Vorwoche zu befürchten gewesen war aber dennoch eher schlecht als recht. Bei ihm zog sich das ziemlich konstant über die ganze Runde.
 
Ich selbst war auf den Back 9 froh über jedes Loch, an dem ich angesichts der fortschreitenden Spielzeit und des damit einhergehenden Energie- und Konzentrationsverlustes, noch meine 2 Nettopunkte holen konnte und so mein Punktekonto aus den ersten 9 Löchern nicht weiter abschmolz.
 
Zwischendurch waren dann auf einem Par 3 auch noch mal ein paar Punkte mehr drin, die die insgesamt schwächeren Back 9 etwas ausgleichen konnten. Daran war dann doch deutlich der Unterschied zwischen uns und unserem gerade 22 Jahre alten Mitspieler Max zu erkennen. Während wir langsam an die Grenzen unserer Kräfte stießen - obwohl es angesichts meines Erfolges diesmal um einiges leichter ging als vor einer Woche - spielte er weiterhin völlig unbeeindruckt und ebenso konzentriert und athletisch, wie zu Beginn der Runde. Zwar war auch bei ihm eine Verbesserung an diesem Tag aufgrund der schwächeren ersten 9 Löchern nicht zu erwarten, jedoch hamsterte er auf dem Rückweg in beeindruckender Weise Pünktchen um Pünktchen und spielte ein mehr als respektables erstes Turnier. Zwischendurch unterhielten wir uns darüber, dass er, würde er weiterhin regelmäßig Golf spielen, er jetzt noch 20 Jahre Zeit für Verbesserungen hätte, ehe er in mein Alter käme. Bis dahin wird er vermutlich Single Handicapper sein, während ich sehr, sehr froh sein darf, wenn ich es jemals schaffen sollte, mein HC unter -30 zu drücken. Es macht eben doch einen Unterschied, in welchem Alter man mit einem solche komplexen Sport beginnt.
 
Erfreulich für mich war, dass ich bereits nach 14 Löchern 37 Nettopunkte erspielt hatte, so dass eine Verbesserung um mindestens 1 Punkt und damit mein Hauptziel für diese Saison, bereits erreicht war. Dies ausgerechnet hier, bei einem so langen Turnier (wir spielten, ab und an vom vor uns etwas langsamer spielenden Flight aufgehalten nun bereits über 5 Stunden) und angesichts meiner geringen Erwartungen - das war schon eine große Überraschung für mich. Als mein Schwager und ich, während wir darauf warteten, dass das Flight vor uns das Green des Par 3 räumte, auf dem wir nun abschlagen wollten, diesen Zwischenstand ausrechneten, freute er sich erkennbar für mich, ich selbst war aber noch eher von der Sorge beseelt, nun vielleicht wie in der Vorwoche 4 Streichlöcher in Folge zu verzapfen und mich letztlich darüber ärgern zu müssen, dass es bei "nur" 1 Punkte Verbesserung geblieben war. Loch 15 machte dabei auch gleich einen guten Anfang, denn tatsächlich wurde das vierte und letzte Par 5 des Kurses mein insgesamt drittes Streichloch.
 
Allerdings gelang es mir in der Folge, die letzten 3 Löcher mit jeweils 7 Schlägen abzuschließen, was angesichts eines abschließenden Par 3 und zweier Par 4 immerhin noch 5 weitere Nettopunkte bedeutete.
 
Auf der Clubterrasse angekommen und nach Bestellung des wohlverdienten, großen Radler, rechneten wir noch einmal gemeinsam unsere Punkte nach. Es gab keine Differenzen, so dass wir unsere Score Cards als letzte Teilnehmer des Turniers bei der Turnierleitung einreichen konnten, nachdem wir alle unterschrieben hatten.
 
Glücklich und vollkommen perplex versuchte ich zu verarbeiten, dass ich tatsächlich 42 Nettopunkte erspielt und mich somit im fünften Anlauf nicht nur im HC verbessert hatte, sondern dies auch gleich um volle 6 Punkte, womit ich mit meinem Schwager, der hinnehmbare aber nicht zufriedenstellende 29 Punkte verbuchte, exakt gleichzog. In unser nächstes Turnier werden wir beide gleichermaßen mit einem HC von -48 starten und können dann ausknobeln, wer von uns die Ehre des ersten Abschlages haben wird.
 
Damit aber noch nicht genug. Kurz nach Abgabe unserer Karten standen die Scores endgültig fest, so dass Flemming Maas, Gründer und Besitzer des Golfclubs, zur Siegerehrung schritt. Wilson hatte für dieses im ganzen Land ausgetragene Turnier Preise für die ersten 4 Plätze gestiftet. Beim Aufruf des vierten Platzes traute ich meinen Ohren kaum - Flemming hatte meinen vorgelesen. Unter dem freundlichen Applaus der anderen Spieler und mit Flemmings wohlwollender Bemerkung, dass 42 Nettopunkte schon eine sehr schöne Leistung wären und was das für mein HC bedeutete, ging ich etwas peinlich berührt nach vorne und nahm erfreut eine Packung mit drei Wilson - Bällen entgegen. Angesichts der 5 Mizuno JPX - Bälle, die ich im Laufe des Turniers neben 2 anderen verloren hatte, immerhin ein kleiner Ausgleich...
 
Beim Aufruf des ersten Platzes stellte sich dann heraus, dass es bei der Abrechnung einen Fehler gegeben hatte und die benannte Dame stellte dies sogleich - in der für Golfer typischen Ehrlichkeit - klar, so dass eine Überprüfung der Ergebnisse stattfinden musste. Dabei wurde festgestellt, dass der Dame versehentlich die Schläge ihrer Zählerin angerechnet worden waren und das diese ein erheblich besseres HC hatte, bedeuteten die benötigten Schläge ein wesentlich geringeres Nettoergebnis als die unglaublichen 53 Punkte, die die erste Dame angesichts ihres Anfänger HC von -54 dafür erhalten hatte. Dank des ehrlichen Hinweises der zu Unrecht Geehrten ließ sich so schnell wieder die richtige Reihenfolge herstellen. Die Spielerin, die als Zählerin für sie agiert hatte, war zufällig genau die Bekannte meines Schwagers, mit der er schon einmal zusammen gespielt hatte aus dem Flight vor uns. Dadurch, dass ihr nun ihre eigenen Schläge zuerkannt wurden, schob sie sich auf den vierten Platz vor, wodurch sie die ursprünglich an mich vergebenen 3 Bälle erhielt. Die fälschlich auf den ersten Platz gesetzte Spielerin hingegen fiel hingegen auf einen der hinteren Plätze zurück als ihr wahres Ergebnis festgestellt wurde. Dafür erhielt sie jedoch von Flemming als kleine Geste und als Dank für ihre sportliche Einstellung, einen pinkfarbenen Ball als Geschenk, denn genau mit solchen hatte sie ihr Turnier absolviert.
 
Ich selbst rutschte durch die Nachberechnung sogar noch auf Platz 3 und erhielt anstelle einer drei Packungen der Wilson - Bälle, insgesamt also 9 Stück. Damit war ich auch ballmäßig in der Gewinnzone.
 
Mein Schwager freute sich erkennbar für mich über mein gutes Ergebnis und auch über die Tatsache, dass wir nun wieder mit demselben HC ausgestattet waren. Max haderte noch etwas damit, sich bei seiner ersten Turnierteilnahme nicht gleich verbessert zu haben. Ich bin aber sicher, dass ihm die Erfahrungen in den kommenden Monaten und Jahren noch zeigen werden, was für eine tolle Leistung er da eigentlich abgeliefert hat. Ich bin mir sicher, dass er ein richtig guter Golfer werden kann und würde mich freuen, die eine oder andere künftige Runde auf dem Weg dorthin, mit ihm gemeinsam zu spielen.
 
Abschließend gab es noch ein Siegerfoto, das in den nächsten Tagen sicherlich auf der Homepage des Clubs veröffentlicht werden wird. Dass ich dabei bin, kann ich immer noch nicht so richtig glauben aber ich bin sehr stolz darauf.
 
Manchmal bewahrheitet sich der alte Spruch, nach dem eine verdorbene Generalprobe ein gutes Omen für die Premiere darstellt, eben doch.
 
Besser is das...
 
 
 


Mittwoch, 14. August 2013

Off Topic - Vier Tage Krieg...

Bevor ich mich in den nächsten Beiträgen wieder meiner persönlichen Erfahrungswelt in der zweitschönsten Nebensache der Welt - dem Golfsport - widme, möchte ich hier zur Abwechslung wieder einmal auf ein Abenteuer ganz anderer Art eingehen.

Seit meiner frühen Jugend - ich muss zu Beginn so 13 oder 14 Jahre alt gewesen sein - haben mich sog. "Pen & Paper" Fantasy - Rollenspiele fasziniert. Dabei entwirft man nach einem bestimmten Regelwerk einen "Helden" innerhalb einer vorgegebenen Welt und versieht diesen mit bestimmten äußeren und charakterlichen Merkmalen, Ausrüstung und Fähigkeiten. Wenn man es etwas atmosphärischer mag, versieht man seinen Charakter darüber hinaus noch mit einem Background, der erklärt, warum dieser so geworden ist, wie er ist und warum er sich nun gerade zu diesem Zeitpunkt in dieser Ecke der fiktiven Welt, genau innerhalb dieser Gruppierung der Mitspieler herumtreibt.

Von einigen, ziemlich schnell langweilig werdenden "Solo - Abenteuern" abgesehen, bei denen man eigentlich nur eine vorgegebene, interaktive Story liest (frei nach dem Motto: Wenn du, nachdem du das Geräusch gehört hast, die Höhle verlässt, lies weiter bei Abschnitt 86 auf Seite 64, wenn du stattdessen deine Fackel entzündest und tiefer in die Höhle hinein schleichst, Abschnitt 217 auf Seite 194), finden solche Spiele mit mindestens einem Spieler und einem Spielleiter oder "Meister", in der Regel aber in einer Gruppe von Spielern und einem Spielleiter statt.

Dabei führt der Spielleiter seine Gruppe durch Erzählungen und Beschreibungen, im fortgeschrittenen Stadium auch durch den gezielten Einsatz bestimmter Musik und eigenes, differenziertes Spiel sogenannter NSC (Nicht-Spieler-Charaktere), denen die Gruppe im Laufe des Abends begegnet, durch ein Abenteuer, welches er entweder einem der zahlreichen, vorgefertigten Geschichten - Bücher des jeweiligen Spielsystems entnommen, oder - bei erfahrenen Spielleitern stets die reizvollere und meist qualitativ auch bessere Variante - vollständig selbst entworfen hat.

Die Spieler folgen dabei den Ausführungen des Spielleiters und entscheiden, wie sich ihr Charakter in der jeweiligen Situation verhalten soll. Um dabei im Rahmen der Fähigkeiten des eigenen Charakters zu bleiben und auch dem Faktor Zufall - der in unser aller Leben ja auch immer eine gewisse Rolle spielt - Raum zu geben, müssen die Spieler nach dem Gutdünken des Spielleiters Würfelproben auf die für die geplante Aktion notwendigen Fähigkeiten ihres Charakters ablegen. Je nachdem, wie diese Würfelprobe ausfällt, gelingt dem Spieler die geplante Aktion seines Charakters oder nicht und entsprechend entwickelt sich die gegebene Situation weiter und beeinflusst dadurch wiederum den Verlauf des gesamten Abenteuers. Eine als Team agierende Spielergruppe, die die Fähigkeiten ihrer jeweiligen Charaktere in sinnvollen, sich ergänzenden Kombinationen anwendet, wird also eher die Chance haben, die vom Spielleiter ins Feld geführten Rätsel und sonstigen Schwierigkeiten zu lösen und erfolgreich aus dem Abenteuer hervorzugehen als eine Gruppe von "Einzelkämpfern". Es ist ein bisschen wie im Mannschaftssport.

Ein guter Spielleiter hingegen wird seine Spielergruppe immer in Relation zu ihren Fähigkeiten fordern, aber nicht überfordern. Er wird einen sich mühenden Spieler auch nicht ohne Not, z. B. aufgrund unglücklicher Würfelergebnisse, seinen liebevoll gestalteten Charakter durch Tod verlieren lassen, sondern immer noch einen Ausweg parat haben. Ein "Bruder Leichtfuß" hingegen, der seinen Charakter mit allzu viel Selbstsicherheit gegen jeden beliebigen Gegner führt und sich selbst für unbesiegbar hält, wird durch den Spielleiter relativ schnell an seine Grenzen geführt werden. Sein Charakter könnte sich schnell einem stärkeren Gegner gegenüber sehen, der eine echte Gefahr für seine Weiterexistenz darstellt. Lernt der Spieler bei solchen Situationen nicht dazu, stirbt sein Charakter in solchen Situationen schon einmal und der Spieler wird sich mühevoll einen neuen Charakter erschaffen müssen, der dann wieder mit Anfängerfähigkeiten ausgestattet, in die bestehende Gruppe integriert werden muss. Wenn man weiß, wieviel Liebe und Fantasie teilweise über Jahre in die Entwicklung und vor allem Weiterentwicklung solcher Charaktere gesteckt wird, hat eine Vorstellung, wie schmerzhaft der Verlust eines lange gespielten Charakters sein kann. Ein Spieler ist also immer gut beraten, sich der Grenzen und der "Sterblichkeit" des eigenen Charakters bewusst zu bleiben, was automatisch eine authentischere und damit auch tiefere Spielatmosphäre erzeugt, von der letztlich die ganze Gruppe profitiert, wenn sie aus dem ermüdenden Alltag einmal für einen Abend in diese Fantasywelt abtaucht.

Eine solche Geschichte lebt also, verändert sich ständig und es ist für den Spielleiter häufig schwierig genug, die von ihm erdachten, für die Dramaturgie wichtigen Eckpunkte des Abenteuers mit seiner Gruppe zu erreichen, die zuvor natürlich in vielen Situationen völlig anders reagiert hat als von ihm vorausgesehen.

Wenn die Spieler ein Abenteuer überstanden haben, erhalten sie vom Spielleiter, passend zu ihren Aktionen und Anteilen bei der Bewältigung der Probleme und nach der Intensität, mit der sie ihre jeweiligen Fähigkeiten angewandt haben - aber auch einfach für gutes, stimmungsvolles Rollenspiel - Erfahrungspunkte, die sie dann wiederum nach bestimmten Regeln zur Verbesserung der Fähigkeiten ihres Charakters einsetzen können, so dass dieser sich nach und nach entwickeln und immer schwierigere Prüfungen bestehen kann.

Das Ganze beruht also auf ein wenig Fantasie und sehr viel Teamwork und Kommunikation. Je erfahrener eine solche Gruppe mit ihrem Spielleiter ist, um so mehr weicht das relativ starre System von Regeln und Würfelproben einem "Storytelling", bei dem der Spielleiter die Charaktere seiner Spieler und deren Fähigkeiten gut genug kennt, um in vielen Situationen einschätzen zu können, ob ihnen eine geplante Handlung in einer bestimmten Situation gelingen kann. Das Gelingen oder Versagen hängt dann mehr davon ab, ob der Spieler seine Handlung mit gutem Rollenspiel und kreativen Ideen unterlegt hat. Durch das Einschränken der manchmal sehr häufigen und ermüdenden "Würfelduelle" zugunsten von mehr Darstellung der Charaktere durch ihre Spieler werden Spielfluss und -tempo sowie Atmosphäre des Spiels natürlich erheblich gesteigert.

Spielsysteme gibt es dabei wie Sand am Meer. Sie spielen in allen nur vorstellbaren Konstellationen von History, Mittelalter - Fantasy, Science Fiction, Cyberpunk, Horror usw. usf. Viele, die in ihrer Jugend mit solchen Spielen in Berührung gekommen sind, werden die typischen Einsteiger - Spiele wie "DSA - Das Schwarze Auge" und "D&D - Dungeons & Dragons" bzw. "AD&D - Advanced Dungeons & Dragons" kennen. Natürlich habe ich diese Systeme über die Jahre gespielt und darüber hinaus unzählige weitere, wie "Star Wars", "Star Trek", "PSI World", "World Of Darkness", "The Seventh Sea" usw.

Nach einigen Jahren Pause, weil mein "Lieblingsspielleiter" und damals bester Freund, mit dem ich mehr als 15 Jahre lang zusammengespielt hatte, nichts mehr von mir wissen wollte, weil seine neue Freundin ihn vor die Wahl zwischen ihrer Beziehung und unserer Freundschaft stellte, wobei erfahrungsgemäß eigentlich immer der Trieb - also die Frau - gewinnt, den Kontakt zu mir und dem Großteil seines übrigen Freundeskreises abbrach, hat sich nun eine alte Schulfreundin, meine beste Freundin, um genau zu sein, bereit erklärt, in zwei neuen Spielgruppen, an denen inzwischen auch mein Sohn beteiligt ist, als Spielleiterin zu agieren.

Mit ihr haben wir mit großem Vergnügen, wenn auch recht seltenen Terminen nunmehr begonnen, das früher schon einmal gespielte "Shadowrun" und das für uns neue aber als TV - Serie sehr geliebte "Firefly" zu spielen. Shadowrun ist eine düstere, technische Zukunftsvision unserer Erde, die von wenigen Megakonzernen regiert wird und in der Gruppen von "Runnern" dafür bezahlt werden, im Wege von Industriespionage durch Hacken von Computersystemen und Einbruchdiebstähle, vorteilhafte Informationen über Konkurrenten zu erbeuten oder von ihnen entführte Personen zu befreien, etc. pp. Wer die geniale, leider nur eine Staffel lange Serie "Firefly" und vielleicht den nachfolgenden Kinofilm "Serenity" kennt, weiß, worum es dabei geht. Allen anderen sei gesagt, dass es sich um die genialst vorstellbare Kombination aus Science Fiction und Western handelt, die je ein Autor erdacht hat und dass es heute noch eine große Gemeinde von Fans gibt, die - vornehmlich im Internet, wo sonst - darum bemüht sind, eine Fortsetzung dieser Serie zu erreichen. Leider mit geringer Aussicht auf Erfolg.

Aber ich schweife ab. Nach dieser Einführung hat der Leser hoffentlich eine Vorstellung von dem Hobby "Fantasy - Rollenspiel", das mich, wenn auch seltener als früher, immer wieder einmal aus meiner Lebensrealität entführt und mir einen kleinen Urlaub in einer Welt erlaubt, in der ich der Held oder Schurke sein kann als der ich mich immer schon mal ausprobieren wollte.

Nun gibt es solche Rollenspiele aber nicht nur in Form der beschriebenen "Pen & Paper" - Spiele, bei denen die Spielgruppe in der Regel gesittet um einen Tisch herumsitzt und die Spielwelt vornehmlich in den Köpfen jedes einzelnen entsteht.

Es gibt auch LARP.

LARP steht für Live Action Role Playing und ist - man mag es erahnen - die physische Umsetzung der ursprünglichen Spielidee. Anstelle eines Grüppchens von Rollenspielern in einem Wohnzimmer oder wahlweise einer Küche, stellen die Spieler ihre Charaktere hier in einer entsprechenden Verkleidung, der sog. "Gewandung" und mit weichen, Latex beschichteten Schwertern und Schilden bewaffnet, innerhalb einer Gruppe von - je nach Veranstaltung - knapp 100 bis über 8000 Gleichgesinnten dar. Dabei ist das Regelwerk natürlich auf die geringstmögliche Anzahl elementarer Regeln und die Charaktereigenschaften sind auf das live ausspielbare beschränkt. Schließlich gibt es beim LARP keine Würfelproben. Alles was man tun möchte, muss man ausspielen. Es nutzt also nichts, einen Krieger mit der Maximalzahl an Punkten für den Schwertkampf auszustatten, wenn man dann live auf dem Schlachtfeld gegen jeden 16jährigen Goblin verliert, weil dieser seine Kampffähigkeiten einfach besser ausspielen kann, beweglicher und schneller ist. Ebenso wenig, einen spruchgewaltigen, mächtigen Magier spielen zu wollen, wenn man ein schüchterner Stotterer mit Wortfindungsstörungen ist. Daher gilt beim LARP: Gib deinem Charakter die Eigenschaften, die du auch als Spieler glaubhaft darstellen kannst - mit allem anderen machst du dich nur lächerlich.

Im Kampf gilt es, Treffer, die man vom Gegner erhalten hat, schön auszuspielen und nach einer Anzahl von Treffern, die die persönlichen Rüstungs- und Lebenspunkte auf 0 reduzieren - wenigstens so ungefähr und immer mit Blick auf den dramaturgischen richtigen Moment - optisch ansprechend zusammenzubrechen und darauf zu hoffen, dass der Sieger dem eigenen Charakter nicht den "Todesstoß" versetzt oder innerhalb von 15 Minuten nach der Niederlage von einem Ersthelfer oder - im Idealfall - gleich von einem Arzt oder Heiler versorgt zu werden, damit der auf 0 Punkte reduzierte Held nicht auch noch durch Verbluten stirbt. Wird der verwundete Bewusstlose rechtzeitig behandelt, überlebt der Charakter und kann nach und nach wieder zu seinen ursprünglichen Kräften gelangen. Es versteht sich von selbst, dass Spieler anderen Spielern nicht grundlos einen "Todesstoß" versetzen sollen, um deren Arbeit und Zeit, die sie in ihre Charaktere gesteckt haben, nicht einfach zunichte zu machen. Leider gab es immer wieder Spieler, die in ihrem Adrenalinrausch auf solche Befindlichkeiten keinerlei Rücksicht nahmen und auch mit Vorliebe und soviel Kraft, wie in ihren dünnen Nerd - Ärmchen steckte, mit großkalibrigen Zweihandschwerter Kopftreffer verteilten, welche ebenfalls schwer verboten sind, um die Verletzungsgefahr gering zu halten. So muss man erhaltene Kopftreffer auch nicht von seinen Lebenspunkten abziehen, sondern kann diese ignorieren. Leider bewahrt einen das nicht vor dem häufig damit verbundenen Brummschädel.

Ab Mitte der 90er Jahre gab es in Berlin - neben vielen anderen Gruppierungen - eine LARP - Gruppe, die sich "Die Hüter der Flamme" nannten. Ein Orden, der es sich zum Ziel gemacht hatte, das Weltwissen zu erlangen, zu verwalten und denjenigen zugänglich zu machen, die man für würdig erachtete...

Diesen Orden hatten mehrere Freunde von mir, darunter auch der o. g. "Lieblingsspielleiter" gegründet und mich einige Zeit später dazugeholt. Gemeinsam arbeiteten wir einen Charakter aus, den ich künftig innerhalb des Ordens verkörpern sollte. Das Ergebnis war der "Schiedsmann" des Ordens, eine Art oberster Richter und Schlichter für innere und äußere Konflikte des Ordens. Im Background des Ordens wurde natürlich davon ausgegangen, dass dieser mit tausenden von Mitgliedern weltweit agierte und zahlreiche Burgen und Anwesen bevölkerte. Die in der Praxis anwesende Gruppe von Spielern stellte also jeweils nur einen Bruchteil der im Hintergrund befindlichen, mächtigen Ordensorganisation dar. Als Mitglied dieses Ordens nahm ich in den folgenden Jahren an einer handvoll sog. "Conventions" teil und darüber hinaus an ein paar "Intime - Treffen" und "Intime - Tavernen", die in verschiedenen Lokalitäten Berlins stattfanden. Dabei gab es zum Teil für mich erinnerungswürdiges, schönes Rollenspiel und auch einige - mir persönlich weniger liegende - kämpferische Auseinandersetzungen mit den genannten Latexwaffen. Da ich mehr ein Mann des Wortes und Ambienterollenspieler war, versuchte ich, mich in der Regel aus den bewaffneten Konflikten auf diesen LARP - Veranstaltungen heraus zu halten.

Das war meinem Charakter zum Glück auch problemlos möglich, weil unser Orden in ein "tragendes" und ein "bewahrendes" Kapitel unterteilt war. Das tragende Kapitel waren die kämpfenden Charaktere des Ordens, die durch den "Tragenden Kanzler" angeführt wurden. Dem gegenüber stand die geistige Führng des Ordens, das bewahrende Kapitel, unter der Führung des "Bewahrenden Kanzlers". In der Theorie gab es darüber hinaus einen sog. "Großkanzler", der im Hintergrund über beide Kapitels herrschte, jedoch von keinem Spieler dargestellt werden sollte, weil dessen Machtfülle einfach zu groß gewesen wäre und die Gefahr bestanden hätte, dass er die Entfaltungsmöglichkeiten der anderen Spieler und ihrer Charaktere zu sehr eingeschränkt hätte. Eine Idee meines "Lieblingsspielleiters" und mir bei der Erschaffung meines "Schiedsmannes" war, dass dieser inkognito seit Jahren unter seinen Leuten agierte, ohne das diese ahnten, dass es sich bei ihm in Wirklichkeit um den Großkanzler handelte. Dies sollte aber aufgrund der beschriebenen Befürchtungen nicht ausgespielt werden, sondern einfach irgendwann bei passender Gelegenheit als "Knalleffekt" den übrigen Hütern in einer schönen Spielsituation bekannt gemacht werden, um für ein rollenspielerisches Highlight zu sorgen. Gleichzeitig wäre es danach natürlich notwendig gewesen, den Schiedsmann nach seinem Outing nicht mehr weiter zu spielen und sich einen Ersatzcharakter zu erschaffen. Dazu kam es jedoch nie.

Obwohl ich mit meinen LARP - Freunden wirklich gerne zusammen war, war ich im Zusammenspiel mit Dutzenden oder auch Hunderten, mir fremden Mitspielern auf LARP - Veranstaltungen doch immer irgendwie gehemmt und traute mich nicht so recht, mich vollkommen in meine Rolle zu begeben. Außerdem gehörte ich zu den Spielern, die bei der Erschaffung ihres Charakters immer viel Mühe in die Hintergrundstory investiert hatten und die daher viel lieber Ambiente - Rollenspiel betreiben und nicht irgendwann grund- und sinnlos von einem betrunkenen Ork getötet werden wollten, was die ganze Arbeit bei der Erschaffung zunichte gemacht hätte. Ich war also immer auch von der Angst beseelt, meinen Charakter möglicher Weise durch einen leichtfertigen Gegner verlieren zu können. Daher spielte ich nie wirklich frei und hatte so auch nie das ungetrübte Spielvergnügen, das viele meiner Mitspielter beseelte und vorantrieb. Meine Begeisterung für das LARP hielt sich daher immer in gewissen Grenzen. Darüber hinaus schreckte mich der zeitliche und vor allem auch der finanzielle Aufwand, den es bedeutete, mit schöner Regelmäßigkeit auf mehrtägige LARP - Veranstaltungen zu fahren, neue Gewandung und neue Waffen, sowie ständig bessere Ausrüstung zu erwerben, die man auch dann benötigte, wenn man ein und denselben Charakter immer wieder spielte. So blieb es also zunächst bei der genannten "Handvoll" an Veranstaltungen, die ich vom Ende der 90er Jahre bis Anfang der 00er Jahre besuchte. Diese jedoch brachten mir im Kreise meiner Hüter - Freunde immer viel Spaß und bis heute unvergessliche Momente.

Im Jahr 2004 entschloss ich mich dann, zum ersten Mal, zusammen mit mehreren dieser Freunde, die das zum Teil schon seit mehreren Jahren praktizierten, zu einer Großveranstaltung, dem "Drachenfest" zu fahren, auf dem sagenhafte 3000 Spieler erwartet wurden. Wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe, waren es am Ende sogar knapp 3500. Das Drachenfest war ein reiner Schlachten - Con, für atmosphärisch dichtes Rollenspiel und viele persönliche Einzelplots war bei dieser Größenordnung natürlich kein Raum. Alles gipfelte in einer großen Endschlacht mit möglichst allen Teilnehmern, die sich in den Tagen zuvor, durch Bündnisse und Fehden zwischen den verschiedenen Lagern, in zwei große Heere aufteilte. Eigentlich also gar nicht so meines aber der Reiz bestand zum einen darin, dass ich mal wieder mit einer größeren Gruppe der Hüter der Flamme unterwegs sein konnte und zum anderen darin, dass man seinen Charakter durch einen Regelkniff dieser Veranstaltung nicht verlieren konnte. Es handelte sich nämlich um Schlachten, die sozusagen nur im Geiste der Teilnehmer, quasi symbolisch stattfanden. Jeder gefallene Charakter musste sich im Anschluss an seinen Tod in den sog. "Limbus" begeben, eine Art Geisterbahn, in der man irgendwann seinem höllischen oder himmlischen Todes - Sachbearbeiter gegenüberstand, der die eine oder andere Aufgabe ersann, die man erfüllen musste, ehe man wieder zum Leben erwachen und in die Schlacht zurückkehren konnte. Sehr reizvoll diese Idee, denn mein Charakter war dadurch nicht in Gefahr und immerhin spielte ich meinen Schiedsmann nun auch schon seit mehreren Jahren.

Neben einigen unvergesslichen Momenten dieser Veranstaltung war sie aber leider vor allem eines - unendlich mühselig. Die sanitäre Situation war mit einer handvoll Dixieklos und noch weniger Duschmöglichkeit - darüber hinaus ausschließlich mit kaltem Wasser, eine Katastrophe und das Wetter tat sein Übriges. Von den 5 Tagen, die die Veranstaltung dauerte, regnete es 3,5 Tage, bis zum Vormittag des finalen Samstages, an dem nachmittags die Endschlacht stattfinden sollte, durch. Alles war nass oder mindestens klamm, das riesige Pfadfinder - Gelände glich einer großen Sumpflandschaft. Die Endschlachte konnte letztlich tatsächlich nur stattfinden, weil es am Samstagvormittag zu regnen aufhörte und die Sonne im August so intensiv war, dass das Feld für die Endschlacht bis zum Nachmittag abgetrocknet war. Die Endschlacht selbst war dann noch einmal ein großes Vergnügen, bei dem zuletzt mit vollem Recht die "dunkle Seite" gewann. In diesem "bösen" Bündnis wurden letztlich, auch das vollkommen zu Recht, die Orks als Sieger des Drachenfestes 2004 erkoren. Als kleine Anekdote am Rande sei erwähnt, dass die Hüter der Flamme, die selbstverständlich auf der Seite des Lichts kämpften, ergo auf der Verliererseite, am Ende dennoch einen der Ihren auf der Siegerseite hatten - mich! Nachdem ich nämlich im Verlauf der Schlacht schwer verwundet worden war und mich in das Heilerlager hinter unseren eigenen Linien zurückgeschleppt hatte, wurde ich dort von einer attraktiven jungen Heilerin zunächst wieder zu voller Charakter - Stärke mit einem besonders potenten Zaubertrank hochgepowert. Dann teilte sie mir mit, dass die Nebenwirkung dieses extrem wirkunsvollen Gebräus leider darin bestand, dass ich ab sofort für das Chaos - Lager, auf der dunklen Seite kämpfen musste. Ich war einer Spionin der dunklen Seite ins Netz gegangen, die unser Heilerlager auf der Seite des Lichts erfolgreich infiltriert hatte und dort unauffällig Verwundete "umdrehte". Ich schlich also um unsere Reihen herum und sortierte mich in den "feindlichen" Reihen wieder ein. Als ich mich bis in deren erste Reihe der Kampflinie vorgearbeitet hatte, stand ich ausgerechnet unserem Schwertmeister und Kampfausbilder unseres Ordens gegenüber. Bei einer Schlachtreihe von gut 60 oder 70 Metern Breite und 1800 Kämpfern auf der einen und 1200 Kämpfern auf der anderen Seite, ein ziemlicher Zufall. Nie werde ich den Anblick seiner groß werdenden Augen hinter seinem Helmvisier vergessen als er in mir seinen Ordensbruder in der anderen Schlachtreihe erkannte - ein Heidenspaß. Ich setzte also einen möglichst irren Blick auf, sabberte und stöhnte ein bisschen zombiemäßig und er quittierte meine Kampfaufforderung mit einem kleinen Lächeln und einem kurzen Nicken. Ich glaube, er machte mich innerhalb von 10 Sekunden fertig aber es gelang mir, mich noch rechtzeitig hinter die Linien zurückzuziehen, um mich erneut behandeln zu lassen. Nachdem die Schlacht endgültig entschieden und durch die SL (Spielleitung) beendet war, kam ich wieder mit meinen Hüter - Freunden zusammen und wurde von ihnen dafür gefeiert als einziger Hüter der Flamme auf der Siegerseite gestanden zu haben.

Trotz dieser schönen Momente waren es insgesamt sehr anstrengende Tage und letztlich war es auch das letzte LARP, das ich besuchte. Nicht, dass das eine bewusste Entscheidung gewesen wäre, es ergab sich in den Folgejahren einfach so, dass ich nie Zeit, Geld oder Lust hatte, an weiteren Veranstaltungen dieser Art teilzunehmen und irgendwann war mein Abstand dazu einfach zu groß geworden und ich fühlte mich auch zu alt für diese Art von Freizeitgestaltung. Mehrere Tage in einem klammen oder heißen Zelt, auf Luftmatratzen schlafen, sich von Dauerwurst und Knäckebrot ernähren und nachts ein kilometerweit entferntes Dixieklo aufsuchen müssen - das war einfach nicht mehr meins.

Trotzdem blieben natürlich - wenn auch lockerer werdende - Kontakte zu meinen alten Freunden bestehen. Insbesondere einer von ihnen machte über die Jahre immer mal wieder Werbung für eine mittlerweile stark wachsende Konkurrenzveranstaltung des Drachenfestes - das "Conquest of Mythodea". Er selbst und viele unserer gemeinsamen Freunde aus Hüter - Zeiten hätten dort mittlerweile als NSC (Nichtspielercharaktere, die von der Spielleitung eingesetzt werden, um als "böse Armee" gegen die anwesenden Spieler anzutreten. Anders als auf dem Drachenfest sollen sich dort nämlich nicht die Spielerlager untereinander bekämpfen, sondern gibt es mit der "Armee des schwarzen Eises" und der "Armee des untoten Fleisches" gesetzte böse Gegner, gegen die Spieler gemeinsam agieren können.) angeheuert und bildeten einen großen Teil des sog. "Schwarm 1" in der Armee des schwarzen Eises. Immer wieder berichtete er, wieviel Spaß das Zusammensein mit den alten Freunden Jahr für Jahr für ihn bedeute und immer wieder lud er mich ein, doch wieder einmal an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen. Mein Interesse erwachte im Rahmen seiner Erzählungen regelmäßig wieder, letztlich siegten aber doch immer wieder die alten Bedenken, wenn der Zeitpunkt der Anmeldung gekommen war, so dass ich mich Jahr für Jahr zuletzt doch wieder gegen eine Teilnahme entschied.

Nun bin ich ja Vater eines Sohnes und wie die Natur es will, wurde dieser über die Jahre älter. Natürlich blieb ihm das Hobby seines Vaters - Rollenspiel - nicht verborgen und ab ca. seinem 10ten Lebensjahr begann er, sich intensiver dafür zu interessieren. Natürlich war er da noch viel zu jung für die Teilnahme an LARP - Veranstaltungen, daher spielte er zunächst mit seinen Freunden im Garten und veranstaltete dort eigene kleine LARP - Events. Später ging das sogar über zwei Tage, mit zwischenzeitlicher Zeltübernachtung seiner Freunde in unserem Garten. Ich baute derweil unsere Gartenlaube zur Taverne um und gab für die Jungs den Wirt - so hatte ich sie im Auge und konnte einerseits dafür sorgen, dass sie es bei den Kämpfen nicht übertrieben und andererseits dafür, dass sie genügend zu Essen und zu Trinken bekamen.

2012, mein Sohn war gerade 15, war es dann soweit - er wollte auf seine erste Großveranstaltung. Er hatte das Drachenfest auserkoren, meine DVD aus dem Jahre 2004 kannte er schon seit langem auswendig und hatte außerdem alle verfügbaren Bilder und Videos aus dem Internet gesehen. Auch das Regelwerk kannte er genau. Wie es der Zufall wollte, hatte mein jüngerer Cousin vor, ebenfalls an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Er erklärte sich bereit, die Aufsichtspflicht für meinen Junior zu übernehmen. Alles lief reibungslos und mein Sohn kam begeistert zurück.

Natürlich äußerte er den Wunsch, im nächsten Jahr nun einmal mit mir zusammen an einer solchen LARP - Convention teilzunehmen - was ich ihm leichtsinniger Weise schon vor einigen Jahre - für später - in Aussicht gestellt hatte. Ich ließ mich überreden und kontaktierte meinen alten Hüter - Freund, der immer so fleißig Werbung für das Conquest gemacht hatte. Er war höchst erfreut und berichtete erneut ausgiebig von den Vorzügen dieser Veranstaltung und dem damit verbundenen Spaß, warnte mich jedoch auch, zu bedenken, dass ich als NSC - anders als als Spieler - quasi "Angestellter" der Spielleitung sei und daher kämpfen gehen müsse, wenn die es wollten und nicht, wenn ich selbst Lust dazu hätte. Darüber hinaus bestehe der Großteil des Einsatzes als NSC aus Wartezeiten und lustigem Lagerleben. Ich ließ mich überzeug und meldete meinen Sohn - der ohne Begleitung eines Erwachsenen erst ab 18 hätte teilnehmen dürfen, in Begleitung jedoch ab 16 an den Schlachten teilnehmen durfte - für das Conquest of Mythodea 2013 an.

War ich zum Zeitpunkt der Anmeldung noch motiviert, dies mit meinem Sohn zusammen zu einem schönen Familienerlebnis zu machen, mehrten sich im Laufe der folgenden Monate doch wieder die Bedenken aufgrund der oben bereits beschriebenen Umstände solcher Veranstaltungen. Meine Lustkonzentration auf diese Veranstaltung sank und sank und war schließlich auf dem Nullpunkt angelangt. Wäre es nur um mich gegangen, hätte ich zu diesem Zeitpunkt abgesagt und den Verlust der 30.- € Anmeldegebühr in Kauf genommen. So jedoch hing mein Sohn und das ihm gegebene Versprechen an dieser Sache - und ihn wollte ich keinesfalls enttäuschen. Also bestellten wir für 59.- € pro Person den "NSC - Deal light", bestehend aus dem blau-schwarzen Wappenrock des Schwarzen Eises sowie dazu passenden Arm- und Beinschienen aus Metall, um ein einheitliches Auftreten der NSC - Armee sicherzustellen. Außerdem nähte meine Frau unserem Sohn noch eine Hose und uns beiden den für das Schwarze Eis ebenfalls obligatorischen schwarzen Turban. Letztlich kaufte ich ihm noch eine weitere Hose und mir zwei, da mir aus alten Zeiten kaum noch Sachen passten. Die zwei Mittelalter - Hemden, die mir noch passten, färbte meine Frau für mich schwarz und von dem vorhin erwähnten Schwertmeister, der seit vielen Jahren selbst LARP - Waffen baut und eine zeitlang auch einen eigenen Internet - Shop dafür betrieb, kaufte ich noch ein neues Schwert für mich, da meines von 2004 durch den Zahn der Zeit und die Benutzung meines Juniors im Garten inzwischen nicht mehr wirklich schlachttauglich war.

Beruigend war der Fakt, dass sowohl die sanitäre als auch die Versorgungssituation sich seit der Zeit meines Rückzuges entscheidend verbessert hat. Nicht nur gibt es im NSC - Lager einen großen Dusch- und Sanitärbereich, in dem in Containern ordentliche Toiletten mit Wasserspülung, zusätzlich zu den in jedem Lager befindlichen, unvermeidlichen Dixieklos untergebracht sind, mittlerweile hat dort in einem großen Zelt während der Veranstaltung sogar ein Supermarkt täglichv on 8 bis 20 Uhr geöffnet, um den Grundbedarf des geneigten LARPers zu befriedigen. Es war also nicht erforderlich, Vorräte für die gesamten 4 Tage mitzunehmen, man konnte sich auch zwischendort vor Ort aufstocken.

Nun liehen wir uns noch das Sahara - Zelt meines Cousins, um einigermaßen stilecht hausen zu können und dann konnte es losgehen.

Mit sehr wenigen Erwartungen und in nicht gerade bester Stimmung fuhren wir am Mittwoch, 31.07.13 in Richtung Hannover, zum Rittergut Brokeloh.

Gute 3,5 Stunden und 2 Staus später kamen wir an dem gigantischen Gelände an. Da der Großteil der NSC bereits am Dienstag angereist war, um an der großen NSC - Pre Convention - Party am Dienstagabend mit Spanferkelt und reichlich Alkohol teilnehmen zu können, herrschte bei unserer Ankunft kein großer Andrang mehr beim Check In. Wir bekamen unser Festival - Armband, das uns als zugangsberechtigt für den NSC - Bereich auswies und fuhren auf das Gelände. Dort halfen uns sogleich ein paar bereits Anwesende, unser Auto zu entladen. Danach fuhr ich das Auto auf den Parkplatz, der auf einem riesigen, abgemähten Feld eingerichtet war und ging zu Fuß die 15 Minuten zurück zum Lager.

Wir begrüßten die Anwesenden und entgegen meiner Erwartungen verspürte ich doch eine große Freude, meine alten Weggefährten wiederzusehen, auch wenn ich angesichts der mich erwartenden Veranstaltung noch immer sehr skeptisch war. Die Einführungsrunde für die neuen NSC, die in diesem Jahr wie wir erstmals dabei waren, hatten wir gerade verpasst aber das war kein großes Problem, denn wir konnten meine alten Freunde ja jederzeit nach allem fragen, das uns noch nicht klar war. Mithilfe eines befreundeten Pärchens bauten wir zunächst unser Zelt auf. Natürlich waren die guten Plätze alle schon weg und das Gelände bot ohnehin nur eine einzige Reihe für Zelte, in der wenigstens zeitweise Schatten zu finden war. Das gesamte restliche Lager lag ganztags in der prallen Sonne. Bei erwarteten 38° C und mehr im Schatten - den es wie erwähnt nicht gab - konnten wir uns also auf Einiges gefasst machen.

Wir stellten außerdem fest, dass es sich beim NSC - Lager um einen Outtime - Bereich handelte, man war also - anders als in den Lagern der Spieler - nicht die gesamte Zeit in seinem gespielten Charakter, sondern zwischendurch entspannt ganz privat. Einerseits lockerte das das gemeinsame Lagerleben gewaltig auf, andererseits wäre es nicht nötig gewesen, sich extra ein Ambientezelt von meinem Cousin auszuleihen. Stattdessen hätte ein komfortables "normales" Zelt, eines mit fest eingenähtem anstelle eines seperaten Bodens, es auch getan und zudem dafür gesorgt, dass wir am ersten Morgen nicht tausende von Ameisen und andern Krabbeltieren in unserem Zelt gehabt hätten...

Als nächstes gingen wir in die Intime - Stadt (also eine Stadt, in der 24 Stunden lang gespielt wurde und die man daher nur in Gewandung erreichen und betreten konnte), wo wir die bestellten NSC - Deals abholen konnten. Das klappte reibungslos - überhaupt war die professionelle Organisation der weltweit größten Veranstaltung dieser Art mit über 8000 Teilnehmern beeindruckend. Zurück im Lager legten wir Wappenrock und Arm- und Beinschienen probehalber an und befanden sie für passend.

Dann ging es zur NSC - Ansprache durch die Organisatoren und Spielleiter. Wir wurden sehr herzlich begrüßt und für die kommenden Tage motiviert. Es wurde deutlich, dass die Veranstalter sehr gerne mit den NSCs zusammenarbeiteten und nicht weniger Einsatz von diesen erwarteten als sie ihn aus den vergangenen Jahren gewohnt waren. Im Anschluss gab es noch eine Stellprobe, weil das Spiel am Abend offiziell mit einem kleinen Knalleffekt für die Spieler eröffnet werden sollte.

Die Spieler wurden mit der Ankündigung auf die Endschlachtwiese gelockt, dass der Veranstalter vor dem "Time In", dem offiziellen Signal, dass die Spielhandlung nunmehr beginne und alle ab sofort "In Character" seien, anlässlich des 10ten Jahrestages des Conquests eine feierliche Ansprache halten sollte. In Wirklichkeit sollte diese sich auf ein "Tach, schön dass ihr da seid - TIME IN!" beschränken, denn die Spieler würden am Ende der Endschlachtwiese die aufmarschierte Armee des Schwarzen Eises vorfinden. In der Annahme, es käme sogleich zur ersten Großschlacht würden sie nach einer geschätzten Sondierungszeit von 1 bis 30 Minuten vermutlich vorrücken, um uns anzugreifen. Sobald sie uns nahe genug gekommen wären, sollte hinter uns ein Spektakel stattfinden. Unser großer Heerführer Argus würde - indem er seine Armee des Schwarzen Eises verriet - das in der hinter uns liegenden Festung befindliche Siegel öffnen und dadurch eine Energie freisetzen, die uns vor den Augen der verdutzten Spieler hinwegfegen sollte. So würden die Spieler zwar um ihren erwarteten Kampf gebracht aber es wäre der Auftakt zum, von allen erst für den letzten Tag erwarteten, Ende des ersten Kapitels der Geschichte von Mythodea.

Die Stellprobe hatte gefruchtet. Die ersten Spieler waren gerade an unserer ersten Reihe angekommen und waren noch verdutzt, dass ihre ersten zaghaften Attacken nicht erwidert wurden, als die Show hinter uns begann und wir alle auf ein akustisches Signal hin, in einer Welle von hinten nach vorne, zusammenbrachen. Die Kommentare der Spieler in den nächsten Minuten waren es zum Teil durchaus wert, dafür knappe 20 Minuten mit dem Gesicht im Dreck liegen zu bleiben...

Die erste Großschlacht sollte am nächsten Morgen stattfinden. Davor lag aber noch die erste Nacht in unserem Zelt. Mein Junior hatte sich entschieden, seine jugendlichen Knochen lediglich in einem Schlafsack und auf einer schönen, dicken Isomatte zu platzieren, so dass ich die 3 (!) mitgebrachten, aufblasbaren Betten nach Belieben verwenden konnte. Natürlich verlor das erste davon Luft, was aber nicht gleich nach dem Aufpumpen zu bemerken war, sondern erst langsam, im Laufe der Nacht vonstatten ging. Am Morgen nach einer extrem unruhigen Nacht, in der ich vielleicht 30 Minuten zusammenhängend und insgesamt keine 2 Stunden geschlafen hatte, hing ich mit meinem dicken Hintern so weit durch, dass ich beinahe den Boden unter der Matratze berührte. Zu meiner Beruhigung hielt die zweite der drei Matratzen, die ich am folgenden Abend aufpumpte, die Luft für die folgenden beiden Nächte.

Als ich morgens einsah, dass der Schlaf sich meiner wohl zunächst nicht mehr bemächtigen würde und die Sonne bereits deutlich unser Zelt beschien, wagte ich einen Blick auf die Uhr. Es war 6.30 Uhr und ganz langsam erwachten die ersten Bereiche unseres Lagers. Ich drehte mich auf der quietschenden Matratze in Richtung meines Juniors und beobachtete seinen friedlichen Schlummer über geschätzt 200 Ameisen hinweg, die hektisch auf der Suche nach Nahrung oder sonstigem lohnenden Diebesgut, auf unserem Zeltboden herumkrabbelten.

Zum Frühstück gab es dasselbe, dass es bis zum Samstagmorgen immer morgens und abends geben würde, einfach, weil wir es mitgebracht hatten und es einfach zuzubereiten war: Nutellatoast!

Anschließend hieß es: "Anrödeln". Dieser Begriff wird beim Schwarzen Eis liebevoll für die Prozedur verwendet, sich die Gewandung und Rüstung anzulegen, weil der Zeitpunkt des Abmarsches näher rückt. Da um 9 Uhr die erste Großschlacht stattfinden sollte, hieß es, rechtzeitig fertig zu sein. Wie wohl immer beim Schwarm 1, von bösen Zungen aufgrund der vielen erfahrenen Rollenspielern darin auch gerne der "Rentnerschwarm" genannt, während wir selbst und gern als "Veteranen" bezeichneten, klappte alles im letzten Moment doch noch pünktlich und wir waren rechtzeitig abmarschbereit. Ich war als Bannerträger unseres Schwarm verpflichtet worden, nachdem ich kundgetan hatte, dass ich an direkten kämpferischen Auseinandersetzungen nicht sonderlich interessiert war.

Der Bannerträger eines Schwarms hat mehrere wichtige Aufgaben. Zum einen beeinflusst er, da er ganz vorn marschiert, natürlich den Eindruck, den die Spieler als erstes vom anrückenden Schwarzen Eis haben, es gilt also, die Form zu wahren, was bei meiner über die letzten 30 Jahre entwickelten und kultivierten Unförmigkeit gar nicht so einfach ist. Zum anderen markiert die Position des Banners während des Kampfes den "Respawn", das ist jener Punkt des Feldes, an den geschlagene Rakh (so heißen die Soldaten des Schwarzen Eises) sich zurückziehen, um durchzuatmen, Wasser zu trinken - welchselbiges dank extrem fleißiger und zuverlässiger Wasser - Rakhs, die immer einen ganzen Bollerwagen mit dem kühlen Nass hinter dem Schwarm herziehen - und nach etwas magischem Gebrabbel des Schwarmmagiers wieder aus der Essenz, aus der sie ohnehin bestehen, auferstehen, um in den Kampf zurückzukehren. Der Respawn findet dabei so lange statt, wie die NSC noch können und die SL die Spieler noch beschäftigen will. Sobald die Spieler genug gelitten haben und die Kämpfe beendet werden sollen, werden die Respawns seltener und schließlich auf Weisung der SL eingestellt. Immerhin sind ja die Spieler die Helden und das schwarze Eis ist in der Regel zum Verlieren da.

Der Marsch zur ersten Großschlacht war diesmal vergleichsweise kurz, vor allem im Vergleich zu den 40 Minuten, die wir am Vortag zu unserer kleinen Umfall - Aktion zum Endschlacht - Feld zurücklegen mussten. Der Kampf lief gut für uns und innerhalb relativ kurzer Zeit mussten die Respawns allmählich verlangsamt werden, weil die Spieler - sicherlich auch der bereits vormittags erheblichen Wärme geschuldet - nicht mehr konnten. Letztlich lief die Schlacht für uns NSC so gut, dass sogar der am Vorabend nach unserem Umfallen in einem vergitterten Wagen festgesetzte Heerführer des Schwarzen Eises, Argus, mitsamt Wagen befreit werden konnte. Von der SL gab es daraufhin die Anweisung die Respawns sofort zu stoppen, da die Spieler bei Nachschub unsererseits unmöglich in der Lage gewesen wären, unseren Heerführer zurückzuerlangen. Eben dies war für den weiteren Verlauf des Plots aber von elementarer Wichtigkeit. Also mussten die paar Rakh, die den Wagen mit Argus erobert hatten, diesen in der Folge über diverse Wiesen zwischen den Spieler - Lagern ziehen, bis sich endlich ein paar Spieler bereit und in der Lage gefunden hatten, ihn zurück zu erobern.

Nun war erst einmal Freizeit und Erholung angesagt. Jeder Schwarm des Schwarzen Eises auf dem Conquest hat neben den im Plot vorgesehenen Großschlachten eine feste und eine Bereitschaftsschicht von jeweils 2 Stunden. Diese Schichten werden am ersten Tag für das gesamte Conquest bekannt gemacht und dann Tag für Tag spontan verschoben. Man muss also im Prinzip immer auf den Moment vorbereitet sein, an dem ein Spielleiter im Lager erscheint und kundtut, dass er in einer halben Stunde zwei Schwärme - voll angerödelt - abmarschbereit braucht, um dieses oder jenes Lager zu überfallen.

Nach der ersten Großschlacht am Donnerstagvormittag hatten wir - was angesichts der glühenden Hitze auch dringend erforderlich war - zunächst einige Stunden Pause. Da angesichts der Witterung auch keine Spieler in den diversen Lager zu finden waren, die durch spontane kämpferische Auseinandersetzungen mit den verfemten Elementen (ein solches ist das Schwarze Eis) bespaßt werden wollten, dehnte sich die Pause bis zum Abend aus. Dann erhielten wir den nächsten Auftrag. Unsere Partner - NSC - Armee, das Untote Fleisch, hatte das Luftlager angegriffen und wir sollten ihnen am Schwarzen Weg den Rücken freihalten, damit nicht plötzlich aufgeschreckte Spieler anderer Lager dort ein- und dem Untoten Fleisch in den Rücken fallen konnten. Da wir bei dieser Gelegenheit als Plänkler - Einheit (das sind kleinere Kampfgruppen, die nicht in einer Schlachtreihe kämpfen, sondern die Gegner mobil in kleinere Gefechte - oder auch Geplänkel - verstrickten) auszogen, war mein Job als Bannerträger überflüssig. So musste ich also erstmals auch beim Kämpfen ran.

Es war eine witzige Erfahrung, wie die Spieler auf einen solchen, unerwarteten Aufmarsch von NSC reagieren. Aus Angst um ihre Charaktere verhalten sie sich im Kampf auch völlig anders als ein NSC, dessen Rakh nicht einmal einen eigenen Namen besitzt und der bei Bedarf per Respawn einfach wiederkommt. Die Situation war für uns Rakh als deutlich komfortabler. Während etwa 2 Dutzend Rakh den Schwarzen Weg absperrten, war ein kleinerer Trupp von 5 oder 6 Rakhs auf jeder Seite der Absperrung dabei, die sich nähernden Spieler ein bisschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Zwar kam in den ersten Minuten keine organisierte Gruppe kampfbereiter Spieler, jedoch versammelten sich nach und nach immer mehr Einzelspieler und Kleingruppen, die eigentlich den Schwarzen Weg auf dem Weg zu den Duschen und Toiletten oder zur Stadt einfach nur passieren wollten, die wir aber nicht durchließen. Es war zum Totlachen. Wann immer unser Grüppchen von 5 oder 6 Rakhs ein paar Meter auf die Spieler zugingen, wich die Gruppe, die inzwischen mehrere Dutzend Spieler umfasste, sofort hektisch zurück und wollte sich auf keinen Kampf einlassen.

Nach längerer Zeit fanden sich dann doch ein paar Spieler, die sich daran erinnerten, dass sie zum Spielen da waren und sich auf einen Kampf mit uns einließen. Planmäßig zogen wir uns langsam zu der Wegsperre zurück und begannen, die Spieler in einer Linie zu bekämpfen. Ich kämpfte erstmals Seite an Seite mit meinem Junior und sah, dass er sich wirklich gut machte. Mir wurde klar, dass seine Zeit gerade erst beginnt und er allmählich souverän in vielen Dingen agiert, an die ich mich nur noch wehmütig erinnere...

Wir hatten Glück mit unseren Gegnern. Uns gegenüber spielten zwei englischsprachige Jungs, die nicht nur gute Treffer austeilten, sondern darüber hinaus auch jeden Treffer, den sie selbst einsteckten, mit schönem Rollenspiel ausspielten. Nach einiger Zeit - ich war zu diesem Zeitpunkt schon tot und Respawns waren hier nicht vorgesehen - zogen wir uns vom Schwarzen Weg zurück und kehrten in unser Lager zurück. Nun begann der gemütliche Teil des Abends. Wir hingen herum, erholten uns von einem heißen, anstrengenden Tag, warfen die Grillgeräte an und quatschten. Bereits gegen 23 Uhr waren mein Junior und ich so groggy, dass wir beschlossen, schlafen zu gehen.

Ob es an meiner Erschöpfung, meiner besser aufgepumpten Matratze oder schlicht an der Gewöhnung lag - in der zweiten Nacht schlief ich bereits deutlich besser als in der ersten. Trotzdem war ich pünktlich gegen 7 Uhr wach, gerade rechtzeitig, um die neue Ameisenkolonie zu begrüßen, die sich bei uns eingenistet hatte, seit mein Sohn am Vortag die Ameisen der ersten Invasionswelle mit unserem Fäustel - den wir eigentlich nur zum Einschlagen der Zeltnägel und nicht als Insektenvernichtungsmittel mitgebracht hatten - heldenhaft erschlagen hatte.

Eigentlich hätte unser Schwarm ab 10 Uhr Bereitschaft gehabt, jedoch erschien bereits gegen 9 Uhr unser Lager - SL und teilte mit, wir seien von einer Gruppe Spieler explizit angefordert worden. Ein nicht nur seltener, sondern in der Geschichte des Conquest wohl einmaliger Vorgang. Eine Gruppe ambitionierter Rollenspieler hatte im Laufe des Jahres seit der letzten Conquest bei einer Reihe von kleineren Veranstaltungen, die in der Welt von Mythodea spielten und dazu gedacht waren, ohne große Kämpfe und eher mit dem Schwerpunkt auf Rollenspiel und Ambiente, die Hintergrundhandlung auf dieser Welt voranzubringen, ein Weltentor erobert und damit begonnen, es mit einer letzten Gruppe kampffähiger Männer und Frauen gegen die verfemten Elemente zu verteidigen. Um es endgültig schließen und so den Einfall der Feinde durch das Tor dauerhaft verhindern zu können, mussten die Spieler ein einstündiges, magisches Ritual durchführen und sich währenddessen der Angriffe des schwarzen Eises erwehren. Dies auf der Conquest, mit echten Kämpfen ambitionierter Rakh also unter echtem psychischem Druck und sogar leicher Panik, ob das wichtige Ziel zuletzt noch erreicht werden könnte, zu spielen, hatte die Gruppe sich gewünscht. Die Spielleitung machte es auf einem gesonderten Feld, dass gegen den Einfall weiterer Spieler, die mit dem Szenario nichts zu tun hatten, geschützt war, möglich. Sie kündigten den Spielern zwei Schwärme des Schwarzen Eises an, woraufhin die Spieler ein höfliches Veto einlegten und sich explizit die Schwärme 1 und 2 wünschten, die traditionell ihre Einsätze zusammen bestreiten und die den Spielern offenbar bereits als Gruppe guter Rollenspieler und Kämpfer bekannt war. Genau genommen war das schon so etwas wie eine kleine Ehre und eine Anerkennung von Spielern für NSC, die durchaus vollkommen unüblich war.

Die Taktik war, die Spieler mit den ersten Angriffen von nur ein oder zwei Fäusten (eine Faust ist eine Kampfeinheit innerhalb eines Schwarms, die etwa 8 bis 10 Rakh umfasst) in falscher Sicherheit zu wiegen um dann nach und nach durch steigende Angreiferzahlen und ein gemeinsames Vorrücken auf dem sehr langen Feld den Druck zu erhöhen und sie in Panik zu versetzen. Alles lief nach Plan. Der Kampf ließ sich gut an und wir rückten relativ schnell vorwärts. Ich war diesmal wieder als Bannerträger dabei, mein Junior war natürlich mitten im Kampfgeschehen. Weiter und weiter verlegten wir den Respawn in Richtung der Spielergruppe, während Welle um Welle von Rakh auf sie eindrangen und ihnen das Leben schwer machten. Die Rückmeldungen der zum Banner zurückehrenden NSC waren fast durchgehend positiv. Natürlich hatte es auch hier den einen oder anderen Kopftreffer gegeben aber im Großen und Ganzen merkte man den Spielern an, dass sie genau diese Situation haben wollten. Daher spielten sie sie auch wunderbar aus und das bedeutet dann immer am meisten Spaß für alle Seiten.

Nach ziemlich genau einer Stunde standen wie Spieler kurz vor dem Abschluss ihres Rituals zur Versiegelung des Tores und die Zahl ihrer Kämpfer war bereits erheblich durch uns reduziert. Mit einem letzten Respawn wurden diejenigen von uns, die noch Lust und Kondition hatten in einer letzten Angriffswelle auf die Spieler gehetzt, natürlich um am Ende knapp unterzugehen und die Spielergruppe als Helden zurück zu lassen.

Glorreich ging das Schwarze Eis unter und die Spieler schützten das Tor mit ihren letzten paar kampffähigen Helden und beendeten ihr Ritual erfolgreich. Nachdem wir uns am Banner versammelt hatten, gaben wir unserem anwesenden SL den Auftrag, den Spielern für das schöne Szenario und den guten Kampf zu danken, denn auch als NSC hatte das allen Beteiligten viel Spaß gemacht. Der SL machte sich sogleich auf den Weg und einige Augenblicke später brandete Jubel und Applaus im Spielerlager in unsere Richtung auf. Die gelobten Spieler bedankten sich bei uns doch tatsächlich mit diesen Jubelrufen dafür, dass wir ihnen genau die Spielsituation beschert hatten, die sie sich gewünscht hatten. Obwohl ich als Bannerträger im Grund nur dabei gestanden hatte, fühlte sich das wirklich toll an. Die Jubelrufe der Spieler wurden von uns mit einer spontanen Rakh - Welle beantwortet. Alle Rakh stellten sich in einer sehr breiten Reihe auf dem Schlachtfeld auf und initiierten eine La Ola in Richtung der Spieler. Die Spieler wiederum reagierten spontan ebenfalls mit einer Welle - die Situation war unglaublich. Als wir schließlich in Richtung unseres NSC - Lagers abrückten, begleiteten uns noch einmal Jubelrufe der Spieler vom Feld - sogar unseren Schlachtruf intonierten sie für uns. Das war wirklich eine geile Erfahrung!

Zurück im Lager waren wir ziemlich aufgekratzt. Unsere Bereitschaft war durch den Sondereinsatz erledigt und selbst der extrem lange Weg in staubiger Hitze - bis zu dem Feld waren es wieder etwa 40 Minuten Fußmarsch, auf dem Rückweg fühlte es sich eher wie 2 Stunden an - hatte sich für diese Erfahrung gelohnt. Aufgrund der erneut wahnsinnigen Hitze fiel die Siesta auch am Freitag wieder sehr ausführlich aus, so dass wir die Mittagszeit und den gesamten Nachmittag im einzigen Streifen Schatten, den es in unserem Lager gab, herumlagen und zwischendurch höchstens mal die 300 Meter bis zur NSC - Taverne oder den daneben liegenden Mittelaltermarkt hinter uns brachten, um uns eine Erfrischung zu besorgen.

Am Nachmittag wurden wir dann von der Lager SL informiert, dass die Feuerwehr gleich anrücken würde, um eine eiskalte Erfrischung aus dem C-Rohr anzubieten. Tatsächlich fuhr der Löschzug wenige Minuten später aufs Gelände und hielt auf dem großen Versammlungsplatz des NSC Lagers vor den Toilettencontainern und den SL - Zelten. Ein Feuerwehrmann stellte sich mit einem kleineren Schlauch hinter das Fahrzeug und einer kletterte aufs Dach, den großen Löschschlauch in der Hand. Gemeinsam leerten sie den gesamten Wassertank ihres Fahrzeuges fächerförmig über die mehreren hundert NSC, die um das Fahrzeug versammelt waren. Mein Junior und ich waren in den letzten Minuten dieser Massenerfrischung auch dabei. Der Moment, in der kalte Wasserstrahl traf, war ein Schock - aber schon im nächsten Moment setzte die Erlösung ein. Das Gefühl, in dieser Bullenhitze mit großen Mengen kalten Wassers von oben bis unten erfrischt zu werden, kam einem kleinen Orgasmus recht nahe.

Klitschnass, mit am Körper klebender Kleidung gingen mein Sohn und ich anschließend, nachdem die Feuerwehrleute zu ihrer großen Freude mit mehrfachen HUA Feuerwehr - Rufen verabschiedet worden waren (HUA ist der Schlachtruf des Schwarzen Eises und formelle Korrespondenz wird grundsätzlich mit MfHUA signiert), noch auf den Mittelaltermarkt, genossen die Verdunstungskälte durch unsere langsam in der Sonne trocknenden Klamotten und fügten ihr noch etwas innere Kälte durch den Genuss von zwei Slushes, direkt nacheinander, hinzu. Dabei holte mein Junior, wie sich am nächsten Abend zeigte, wohl eine leichte Erkältung aber die Erfrischung war es definitiv wert!

Gegen Abend - die Zeit unseres regulären Dienstes war ereignislos verstrichen - teilte unser SL uns mit, dass das Untote Fleisch im Laufe des Tages 2 x erfolglos versucht hatte, das Erdlager einzunehmen. Beide Male seien sie zurückgeschlagen worden. Nunmehr wolle die SL alle Schwärme des Schwarzen Eises aufbieten, um sowohl den Spielern im Erdlager als auch unserer Partner - Armee einmal zu zeigen, wie man ein Lager richtig einnimmt.

Wir rödelten uns also noch einmal an und marschierten - Schwarm 1 vornweg - zum Erdlager. Der Weg war diesmal nicht allzu lang, wir brauchten nur gute 20 Minuten bis zu unserem Ziel. Außerdem war die allerschlimmste Hitze des Tages bereits vorbei und das Schlachtfeld vor den Toren des Erdlagers lag sogar im Schatten. Was niemand wusste - offenbar auch die SL nicht - war, dass das Erdlager gerade extrem unterbesetzt war. Die Spieler hatten offenbar nicht mit weiteren Angriffen an diesem Tag gerechnet und viele waren daher Duschen, Einkaufen und in die Stadt gegangen. Zwar hätten wir das Lager ob unseres massiven Aufmarsches und unserer bekannt guten Kampfdisziplin auch so geschliffen, jedoch dauerte es in diesem Falle nur etwas 20 Minuten, wobei die Hälfte unserer Truppen sich sogar noch darum kümmern konnte, das von hinten als Verstärkung für das Erdlager anrückende Feuerlager am Zugang zum Schlachtfeld in Schach zu halten. Nachdem das Erdlager in einem Handstreich eingenommen worden war, dauerte es nur etwa weitere 15 Minuten, um die von hinten angreifenden Spieler des Feuerlagers so weit zurück zu drängen, bis die SL das Gefecht abbrach, weil alle Kämpfenden sich vollständig auf dem asphaltierten Schwarzen Weg befanden, auf dem aufgrund seiner Beschaffenheit und weil er nur etwa 5 Meter breit war, nicht mehr wirklich gekämpft werden konnte, zumindest nicht von zwei so großen Gruppen. Ein Sieg auf der ganzen Linie. Obwohl ich auch bei dieser Gelegenheit erneut meiner Tätigkeit als Bannerträger nachgegangen und an den Kämpfen nicht persönlich beteiligt war, war es ein sehr gutes Gefühl auch als NSC - Armee einmal gewinnen zu dürfen.

Am späteren Abend erwartete uns dann noch ein Einsatz anderer Art. Alle Schwärme waren aufgefordert in voller Montur auf ein nicht weit vom NSC - Lager entfernt liegendes Gelände zu marschieren, um dort einem Ritual beizuwohnen, das extra für uns inszeniert worden war. Da unser Heerführer Verrat an uns begangen hatte und zudem in Gefangenschaft geraten war, beabsichtigten unsere geistigen und magischen Führer, eine weitere Führungsfigur für die verfehmten Elemente im Rahmen dieses Rituals zu erschaffen. Es war gut gemeint. Allerdings war es das Ende eines langen Tages, uns allen taten vom Herumstehen die Füße weh, es wurde immer dunkler, die Mücken und Bremsen machten und verrückt und das Ritual zog sich endlos in die Länge. Nach einer insgesamt eher langweiligen Stunde des Herumstehens waren wir schließlich froh, in unsere Lager zurückkehren und die verschwitzten Klamotten ausziehen zu können.

Der Feierabend gestaltete sich für meinen Junior und mich erneut recht kurz. Für ein Stündchen leisteten wir noch einem befreundeten Pärchen auf der anderen Lagerseite Gesellschaft und feierten mit einer anderen Teilnehmerin unseres Schwarms eine kurze Überraschungsparty aus Anlass ihres erfolgreichen Studienabschlusses mit Sekt und Luftschlangen und einer bewegenden Rede ihrer ebenfalls anwesenden, besten Freundin. Die erfolgreiche Ex - Studentin heißt in unserem Schwarm fortan "Bachelor - Rakh". Gegen kurz nach 23 Uhr waren wir jedenfalls schon wieder so erledigt, dass wir in unser Zelt krabbelten. Diesmal schlief ich wie ein Stein.

Am Samstag erwachte ich für meine Verhältnisse erst relativ spät gegen 7.30 Uhr. An die Ameisen im Zelt hatte ich mich inzwischen gewöhnt aber sie ekelten mich immer noch an. Bereits zu diesem Zeitpunkt war mir klar, dass ich, sollte ich jemals auf die Idee kommen, erneut an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen, dies auf jeden Fall in einem anderen Zelt tun würde.
Um 9 Uhr sollten wir noch einmal einen Kampfeinsatz haben, ehe am Nachmittag, oder hitzebedingt vielleicht auch erst am Abend, die Endschlacht stattfinden sollte, bei der auf dem großen Endschlachtfeld die über 6000 Spieler gegen uns 1200 NSC antreten sollten, um dabei das Siegel zu erobern, dass Argus bereits am ersten Abend geöffnet hatte.

Am Morgen bot mir ein Mitstreiter, der sich am Vortag am Arm verletzt hatte an, das Banner von mir zu übernehmen, damit ich selbst noch einmal an den Kämpfen teilnehmen konnte. Darauf war ich zwar nicht sonderlich scharf aber angesichts seiner Verletzung willigte ich ein, damit er als Bannerträger wenigstens mit uns ausrücken konnte.

Wir marschierten noch einmal auf die große Wiese, den Ort unserer ersten Großschlacht vom Donnerstagvormittag. Eigentlich sollten wir auch hier wieder nur den Rücken des Untoten Fleischs decken. Allerdings fanden wir keine kampfbereiten Spieler - Heere vor, so dass wir einige Zeit damit verbrachten, imposant vor dem Lager des Großen Heeres aufzumarschieren und einige einzelne, passierende Spieler zu assimilieren (ja, wir sind ein bisschen wie die Borg). Dabei kam es zu einer sehr süßen Szene, in der eine Familie, bestehend aus einem jungen Elternpaar mit ihrer kleinen Tochter von unserem Truppführer bedrängt wurde, was der Kleinen offenbar Angst machte. Ihre Mutter entschloss sich daraufhin, ihre Tochter mit dem Schwert zu schützen und begab sich in ein Einzelduell mit unserem Sharun (so heißt der Schwarmführer beim Schwarzen Eis). Dieser stieg wunderbar auf dieses nur halb "In Time" gespielte Ansinnen ein und ließ sich nach kurzem Kampf von der tapferen Mutter besiegen. Nach dem Sieg ihrer Mutter beruhigte sich die Maus, die während des Kampfes noch geweint und gleichzeitig darauf hingewiesen hatte, dass ihre Mama keinesfalls auf den Boden fallen dürfe, sehr schnell wieder und winkte zum Abschied sogar unserem ganzen Schwarm. Alle waren gerührt und vergaßen die Spielaction für einen Moment. Ein weiterer unvergesslicher Moment dieser Conquest für mich...

Schließlich wagten sich doch noch ein paar Spieler aus dem Lager des großen Heeres und lieferten uns ein paar Scharmützel. Dabei stellte ich fest, dass meine Mitstreiter, die mir schon mehrmals versichert hatten, dass die Kämpfe mit den Spielern auch mir als ollem Pazifisten bestimmt Spaß machen würden, wenn ich es nur einmal ausprobierte, die ganze Zeit Recht gehabt hatten. Es machte wirklich Spaß. Zusammen mit meinen Rakh - Kameraden bekämpfte ich die Spieler, ärgerte mich über diejenigen, die es übertrieben und freute mich über die, die schön spielten. Insgesamt waren es nur kleinere Kämpfe aber sie brachten wirklich Spaß.

Bereitwillig stimmte ich nach dieser Erfahrung zu, das Banner bei der Endschlacht am Nachmittag - es hatte zwischenzeitlich ein paar Schauer gegeben und sich etwas abgekühlt, so dass klar war, dass die Endschlacht wie geplant ab dem Nachmittag würde stattfinden können, erneut an einen verletzten Rakh meines Schwarms abzutreten und selbst in der Endschlacht anzutreten.

Pünktlich zum Abmarsch in Richtung Schlachtfeld - vor uns lagen dieselben 40 Minuten Fußmarsch, wie am Mittwochabend - kam die Sonne wieder zwischen den Wolken heraus und es wurde sofort wieder heiß. Die Feuchtigkeit der paar Regengüsse, die es tagsüber gegeben hatte, dampfte aus dem Boden, der schon nach wenigen Minuten wieder staubtrocken war. Dennoch wurde es zum Glück nicht mehr ganz so heiß, wie an den Tagen zuvor.

Kurz vor dem Aufmarsch auf das Feld nahmen wir außerhalb des Blickfeldes der Spieler eine Warteposition ein. Die ursprüngliche Planung der SL hatte darin bestanden, uns aufmarschieren und die Spieler dann auf diesen Aufmarsch reagieren zu lassen. Leider neigen Spieler solche SL - Planungen mit einem Handstreich zunichte zu machen, nicht zuletzt deshalb, weil sie die Pläne vorher  nicht kennen... So hatten also die Spatzen von den Dächern gepfiffen, dass beide NSC - Armeen auf dem Weg zum Feld für die Endschlacht waren. Da die Spieler quer durchs Gelände den wesentlich kürzeren Weg hatten als wir, die wir - um möglichst unsichtbar zu bleiben (!) - außen um das gesamte Gelände herum bewegen mussten, warteten bereits mehrere tausend Spieler auf uns. Sie waren bereits so hoch auf dem Feld positioniert, dass ein einziger Durchbruch durch unsere Reihen möglicher Weise genügt hätte, um die an unserem Ende liegende Festung, die das letzte Siegel, welches Argus am ersten Abend geöffnet hatte, enthielt, zu erobern. Diese Eroberung stellte den Endpunkt des diesjährigen Conquests dar, vor dieser Kulisse sollte Argus hingerichtet werden. Die Spieler hatten also - ohne es zu wissen - bereits den größten Teil ihrer Aufgabe erfüllt, indem sie sich ohne Gegenwehr so weit über das Feld verteilen konnten. Die Strategie der Spielleitung brauchte daher dringend eine Änderung.

Hatten wir ursprünglich noch in optisch beeindruckender Weise geordnete Aufmarschformationen zeigen und uns erst nach und nach in die Kämpfe mit den Spielern begeben sollen, hieß die neue Anweisung nun: DRUCK! Wir sollten schnellstmöglich aufmarschieren und die Spieler direkt in breiter Kampflinie über das gesamte Feld angreifen und sie so möglichst schnell in die eigene Hälfte des Schlachtfeldes zurückdrängen.

Gesagt, getan. In hohem Tempo marschierten wir aufs Feld, wurden sofort zu einer breiten Kampflinie auseinandergezogen und griffen als kompakte Schlachtreihe sofort alle Gegner an, die nicht clever genug waren, sofort die Flucht zu ergreifen. Die meisten taten das allerdings und zogen sich zumindest soweit zurück, bis sie auf die Masse der Spielerarmee hinter sich trafen. Dergestalt auch zu einer kompakten Armee zusammengetrieben, bildeten nun auch die Spieler die für die Endschlacht obligatorische Schlachtreihe. Wir rückten weiter vor, bis uns noch ein ungefähr 2 bis 3 Meter breiter Graben von der gegenüberliegenden Reihe der Spieler trennte. Dieser Graben musste über die gesamte Schlacht bestehen bleiben, über ihn hinweg würden die Kämpfe stattfinden. Dies ermöglichte den zahlreich anwesenden SL innerhalb des Grabens den Überblick über die Aktionen und Regelverstöße zu behalten und beiden Seiten Anweisungen zu geben, wenn der Kampf an einer Stelle wegen zu großem Gedränge, einem passierenden Krankenwagen oder anderer Belange pausiert werden musste.

Etwa 15 bis 20 Minuten nach unserem Aufmarsch wurden wir dann von der SL mit dem Hinweis gestoppt, dass wir nun nicht mehr weiter vorrücken dürften, da die hinteren Spieler inzwischen fast in den eigenen Zelten hinter dem Schlachtfeld standen. Wir stoppten also unseren Vormarsch und hörten auf, die Spieler allzu stark zu bedrängen. Leider reagierten diese darauf extrem abwartend und unternahmen quasi keine Versuche, nun von sich aus den Druck zu erhöhen. Schließlich mussten wir uns auf Weisung der SL um 20 Meter zurückziehen, um den Spielern klar zu machen, dass nun ihre Zeit gekommen war, das Feld in Richtung der von uns verteidigten Festung zu erobern.

Die Spieler trauten sich nicht. Wir rückten 20 Meter zurück, die Spieler blieben stehen. Es vergingen mehrere Minuten, bis die Spieler - Schlachtreihe allmählich aufschloss und die alte Grabenbreite zwischen den Parteien wieder herstellte. Natürlich fanden hier und da Einzelkämpfe statt aber ein Vormarsch der Spielerarmee als Ganzes blieb aus. Erneut mussten wir uns auf Weisung der Spielleitung kampflos um 50 Meter "zurückdrängen lassen", ohne dass uns jemand zurückdrängte... Allmählich wuchs auf NSC - Seite der Unmut über die Passivität der Spieler. Er sich so wenig um den Erfolg bemüht, hat ihn auch nicht verdient. Solche und ähnliche Kommentare waren vermehrt zu hören. Von der Spieler - SL animiert kamen die Kämpfe ganz allmählich in Gang und die Spieler begriffen wohl langsam, dass sie zum Gewinnen hier waren und nichts zu befürchten hatten. Dass ihr Sieg vorprogrammiert war, ließ sie allmählich mutiger werden.

Natürlich übertrieben es dabei wieder einige besonders Bekloppte. Wieder wurden mit Langwaffen reihenweise Kopftreffer gegen die NSC verteilt, schließlich waren wir ja keine Menschen, sondern nur aus Essenz - da kann man schon mal draufkloppen. Neben reihenweise Spielern, die keinen einzigen Treffer, den sie kassierten, vernünftig ausspielten und die offenbar auch alle unkaputtbare Schilde mit sich führten, fielen an meiner Position insbesondere einige besonders unbesiegbare Superhelden auf, die selbst kaum einen Angriff wagten und zusammen sicherlich schon mehrere Dutzend Treffer eingesteckt hatten, ohne darauf auch nur mit einem Zucken zu reagieren. Alle hatten weiß - rote Schilde mit der Aufschrift "Freisäecker" und hielten sich ganz offensichtlich für ganz besonders harte Kämpfer. Wenn der "normale" Mensch auf der Conquest - ohne Rüstungspunkte - 3 Lebenspunkte hat, hatten diese Helden, geht man von ihrem Verhalten auf dem Schlachtfeld aus, ungefähr 1000. Schließlich hatte einer von ihnen entweder einen ganz besonders schönen Adrenalinflash oder ihm brannte sonst eine Sicherung durch, jedenfalls nahm er über den Graben zwischen den Schlachtreihen hinweg 2 große Schritte Anlauf, sprang ab und - Schild voran - frontal mit voller Wucht in mich hinein. Da ich zu diesem Zeitpunkt auf einen Gegner links von ihm konzentriert war, traf mich sein Aufprall völlig unvorbereitet. Es fehlte sich viel und er hätte mir vier Finger der linken Hand gebrochen, den als erstes prallte er auf meinen halb ausgestreckten Arm. Die Finger wurden nach hinten verbogen und ich verlor kurzfristig die Fassung. Mein Gegner allerdings hatte sich so schnell wieder aufgerappelt und war geflohen, dass er meine Schimpfkanonade, dass es sich hierbei nicht um einen Vollkontakt - Kampfsport handelte, vermutlich gar nicht mehr mitbekam. Meine Mitstreiter schickten mich zur Erholung erst einmal zu unserem Banner zurück, nachdem ich eine Vorstellung bei den Sanis abgelehnt hatte. Dort beruhigte ich mich ein wenig, erntete viel Verständnis und mein dämlicher Gegner jede Menge Kopfschütteln von meinen Rakh - Kameraden, trank etwas Wasser und ließ mich dann wieder respawnen.

Zurück in der Schlachtreihe passierte das, was im Leben eben manchmal passiert. Obwohl ich an einer anderen Stelle der Reihe wieder in das Kampfgeschehen eingriff, standen mir plötzlich wieder 3 der "Freisäecker" gegenüber. Darunter auch der Übeltäter von vor wenigen Minuten. Manchmal sieht man sich eben doch zweimal im Leben. Ich musste nicht lange darauf warten, dass er seine brutale und schwachsinnige Sprungaktion wiederholte. Diesmal sprang er eine Spielerin recht von mir an, die vielleicht die Hälfte von ihm wog. Es gelang ihr allerdings, sich noch so weit zur Seite zu drehen, dass er sie nicht voll erwischte, sondern neben ihr seitlich auf den Rücken fiel. Das war mein Moment. Mit voller Wucht zog ich ihm mein Schwert über die Brust, woraufhin er mich etwas irritiert anglotzte. Dann begann ich, ihn zu beschimpfen und ihm in äußerst deutlichen Worten klar zu machen, worum es beim LARP geht und worum ganz sicher nicht. Er stellte sich wenig glaubhaft dumm und konnte sich überhaupt nicht daran erinnern, vor einigen Minuten schon einmal gesprungen zu sein und mir dabei fast die Hand gebrochen zu haben. Bei dieser Gelegenheit wies ich ihn auch gleich noch darauf hin, dass auch ein Spieler nach mehreren Dutzend Treffern üblicher Weise für einige Minuten der Schlacht fernbleiben und sich von den anwesenden Heilern behandeln lassen sollte. Auch hier verstand er mich offenbar nicht, zumindest versuchte er diesen Eindruck zu erwecken.

Während der gesamten Situation stand direkt neben uns ein interessiert blickender SL. Aber anstatt mich ob meines Wutanfalls zurechtzuweisen oder gar von der Schlacht zu verweisen, hörte er mir bis ganz zum Schluss zu und nahm dann den nur zaghaft protestierenden Spieler mit sich, um ihm noch mal eine Lektion in Sachen Sinn und Unsinn beim LARP zu verpassen. Unnötig zu erwähnen, dass ich von meinen Rakh - Mitstreitern für diese Episode ein bisschen gefeiert wurde, denn es ist immer eine Genugtuung, wenn auch einer dieser besonders ignoranten Spieler einmal sein Fett von der SL weg bekommt und wir nicht immer nur allein für die Deeskalation und Vernunft zuständig sind.

Allmählich hatten sich nun die Spieler unter unserer tätigen Mithilfe den Großteil des Spielfeldes zurückerobert und die Spielleitung plante nun den finalen Durchbruch zur Festung, um die vorbereitete Hinrichtungsszene von Argus inszenieren zu können. Folgerichtig kam für uns die Anweisung, nun noch einmal zum Sterben in die Kämpfe zu gehen, da es anschließend keinen Respawn mehr geben würde. Durch die so schnell reduzierte Anzahl an NSC würden die Spieler auch ohne viel eigene Aktion zwangsläufig zum Siegel durchbrechen.

Mir war schon während der gesamten Schlacht mehrfach ein Spieler in der gegenüberliegenden Schlachtreihe aufgefallen, der sich in besonderer Weise auf den Kampf vorbereitet hatte. Er kämpfte mit zwei Schwertern und um dafür beide Hände frei zu haben, hatte er sich vor die Brust und an beide Seiten große Ritterschilde geschnürt, so dass er extrem schwierig zu treffen war. Zudem hatte er sich für meine Begriffe im bisherigen Schlachtverlauf durchaus durch vernünftiges Rollenspiel ausgezeichnet. Ich selbst kämpfte nach wie vor mit nur einem Schwert und ohne Schild.

Ich trat aus der Schlachtreihe nach vorn, schlug mit dem Schwert auf eines seiner Schilde und forderte ihn zum Duell heraus. Er trat nun seinerseits aus der Reihe und dann geschah wieder etwas, dass einem bei einem Spieler nicht allzu häufig passiert. Mit einem kämpferischen kleinen Monolog in englischer Sprache verdeutlichte er, dass er es für feige halte, mit seinen Schilden gegen einen ungerüsteten Mann wie mich anzutreten. Daraufhin legte er seine drei Schilde ab und stand mir nun nur noch mit seinen zwei Schwertern gegenüber. Wir nickten uns kurz zu und begannen das Duell. Auch 1,5 Wochen später habe ich noch nicht ganz verstanden, wie das geschehen konnte aber ich gewann. Während der Spieler mich in den nächsten Sekunden einmal am Arm und einmal am Bein streifte - was ich in beiden Fällen natürlich für ihn gut sichtbar ausspielte - trafen meine Konter und Attacken ihn zunächst einmal quer über die Brust, dann zweimal voll am rechten Unterschenkel und schließlich erneut voll frontal auf den Oberkörper. Auch er spielte alle Treffer toll aus, wir boten den Umstehenden sicherlich keine ganz schlechte Show. Nach meinem zweiten Volltreffer auf seinen Oberkörper brach er schreiend zusammen und versuchte, hinter die Schlachtreihe der Spieler zurück zu robben. Natürlich konnte ich das nicht zulassen. Ich setzte nach und versetzte ihm noch einen Schwertstreich in die nun ungeschützte Flanke. Er brach zusammen und blieb liegen. Die nun unmittelbar vor mir stehenden Spieler der Schlachtreihe betrachteten damit scheinbar das Duell und damit auch die Phase ihrer Nichteinmischung für beendet. Fast zeitgleich trafen mich von vorn und hinten mehrere Langwaffen und Schwerter auf Brust und Rücken.

Ein guter Zeitpunkt, episch zu sterben!

Ich brach mit einem Knurren in die Knie - Rakh haben nämlich kein Schmerzempfinden - kassierte noch ein paar weitere Treffer innerhalb einer Sekunde, brach zusammen und fiel aufs Gesicht. Ich persönlich war mit meinem Abschluss in dieser Endschlacht äußerst zufrieden und trotz der unschönen Episode mit dem "Todesspringer" hatten ich erneut viel mehr Spaß gehabt als ich mir je zu erhoffen gewagt hätte.

Nachdem ich pflichtschuldigst zur Essenz zerflossen war, erhob ich mich wieder - nicht ohne dass noch ein besonders intelligenter Spieler mir gleich noch einmal mit seiner Hellebarde in den Nacken hieb, nur für den Fall, dass dieser Rakh doch plötzlich an Ort und Stelle auferstehen und erneut in den Kampf eingreifen wollte - und zog mich in Richtung unseres Banners zurück aus der Schlacht. Wie ich zogen sich inzwischen eine große Zahl von NSC nach ihren Niederlagen gegen die "übermächtigen" Spieler zurück. Unmittelbar hinter dem Siegel beobachteten wir noch den schön gespielten, tragischen Tod unseres geliebten aber verräterischen Heerführers Argus, dann bekamen wir die Erlaubnis, ohne besondere Formation ins Lager zurückzukehren, ein Angebot, das wir gerne annahmen.

Bereits am Donnerstag hatten mein Sohn und ich uns nach einer Unterhaltung mit einem Schwarm - Mitstreiter entschieden, nicht erst am Sonntagvormittag, sondern bereits am Samstagabend, nach der Endschlacht, abzureisen. Zwar würden wir so die große Schwarmparty verpassen, andererseits würden wir uns den Abreisestau zwischen 1200 NSC und eine weitere Nacht im Zelt ersparen. Die Vorteile schienen uns zu überwiegen.

Wir zogen uns unmittelbar nach der Rückkehr von der Schlacht um und waren wenige Minuten später nach tagelangem Urlaub von der Realität wieder in Jeans und T-Shirt unterwegs. Unser Zelt und die übrigen Sachen hatten wir bereits am frühen Nachmittag, vor dem Aufbruch zur Endschlacht zusammengepackt. Nun ließen wir noch unseren geräumten Zeltplatz von der SL abnehmen, wofür wir einen Stempel erhielten, der uns die Abholung unseres Autos vom Parkplatz ermöglichte. Dort war allerdings am Samstagabend noch niemand, so dass wir uns die Einhaltung dieser Prozedur auch hätten sparen können. Mit den Autos im Lager angekommen, packten wir innerhalb weniger Minuten das Auto und nahmen auch gleich noch einige vorbereitete Sachen von Freunden von uns mit, die nur ein kleines Auto hatten und somit beim Transport auf Hilfe angewiesen waren.

Als wir fertig gepackt hatten, war es ungefähr 21 Uhr. Wir waren bereit zur Abreise, jedoch hatten wir uns von vielen unserer Schwarmkameraden noch nicht verabschieden können, die auf dem großen NSC - Versammlungsplatz ein paar hundert Meter entfernt der NSC - Abschlussrede durch Organisatoren und SL lauschten. Wir entschlossen uns, uns den Rest dieser Verabschiedung nicht entgehen zu lassen, zudem der Festrollen - NSC, der in den vergangenen 10 Jahren den Argus gespielt und heute diesen Charakter endgültig hatte begraben müssen - Linus heißt der junge Mann und wirklich gute Rollenspieler - verabschiedet werden würde - und das versprach emotional zu werden!

Wir kamen gerade rechtzeitig. Die letzten Sätze des Vorredners vergingen, während wir uns ganz hinten einen Platz mit annehmbarer Sicht suchten, dann betrat Linus die Rednerempore, die vor dem SL - Zelt aufgebaut worden war. Er kam zunächst eine ganze Weile nicht zu Wort. Stattdessen schallte sein Schlachtruf - der so nun nicht mehr stimmte - über den Platz. Der Sharun rief: "Er ist das Auge!", die Rakh antworteten mit"Wir sind der Sturm!". Linus hörte dem Gebrüll sichtlich gerührt zu und wischte sich die eine oder andere Träne aus dem Augenwinkel. Seine Dankesrede danach machte deutlich, dass dies nicht nur eine leere Geste gewesen war. Er war wirklich dankbar und wehmütig und es fiel ihm erkennbar schwer, die Rolle unseres Heerführers aufzugeben. Im Gegenzug schlug ihm unglaublich viel Sympathie, ich möchte fast sagen, Liebe, von Seiten der NSC entgegen.

Als Linus schließlich geendet hatte und das Conquest im direkt neben dem Platz abgestellten PKW verließ, beeilten sich die anwesenden NSC spontan, ein Spalier bis fast zum 300 Meter entfernten Ausgang des Geländes zu bilden. Lachend und zugleich weinend passierte Linus dieses Spalier, langsam fahrend und die linke Hand zu unzähligen Handshakes aus dem Wagenfenster gestreckt, während von den NSC immer und immer wieder sein Schlachtruf intoniert wurde. Obwohl mein Junior und ich erst im ersten Jahr dabei waren und nicht, wie einige andere hier, bereits zum zehnten Mal, konnten wir uns dieser emotionalen Situation nicht entziehen und jubelten enthusiastisch mit. Mehr als einen so spektakulären Abgang kann ein NSC nach 10 Jahren in ein und derselben Rolle vermutlich nicht erreichen und dessen schienen sich alle Anwesenden sehr bewusst zu sein.

Im Anschluss an diesen Abschied gab es noch ein paar letzte Dankesworte des Hauptverantwortlichen für diese Veranstaltung und dann ein abschließendes Eis am Stiel für alle NSC, was erneut mit großen Hurra begrüßt wurde und anscheinend bereits Tradition hat.

Anschließend machten Junior und ich uns gegen 21.30 Uhr auf den Heimweg. Ohne Zwischenfälle kamen wir gegen 0.15 Uhr zuhause an. Das Einzige, worauf wir uns jetzt noch freuten, war unsere Dusche. Wir hatten nämlich bei der Abreise unsere Handtücher vergessen und vor Ort nirgends welche bekommen. Trotz der Hitze und dem Dreck hatte unsere einzige Dusche seit Mittwoch darin bestanden, uns die eine oder andere Flasche über den Kopf zu gießen. Die Rückkehr in die Zivilisation von fließendem Wasser und heißen Duschen war herrlich...

So endeten meine 4 Tage Krieg, von denen ich so wenig erwartet und die ich doch so sehr genossen hatte. Die Zeit mit meinem Sohn und meinen alten Freunden war unglaublich wertvoll und hat sehr, sehr viel Spaß gemacht. Das Ergebnis dieses unerwarteten Erfolges ist, dass mein Sohn und ich verabredet haben, die nächsten Jahre regelmäßig gemeinsam im Schwarm 1 zu kämpfen, wenn es wieder Zeit für das Conquest of Mythodea ist. Der alte Spruch, den ich schon öfter von meinen dortigen Kampfgefährten des "Rentnerschwarms" gehört habe, scheint wohl zuzutreffen: Einmal Rakh, immer Rakh!

Wer von euch bis hierhin vorgedrungen ist und noch Interesse hat, sich weitere Informationen über das schöne Hobby LARP zu verschaffen, dem sei der Dokumentarfilm "Wochenendkrieger" ans Herz gelegt, der überwiegend auf dem Conquest 2012 entstanden und vor wenigen Tagen in ausgesuchten deutschen Kinos gestartet ist. Zum Trailer geht es hier:

http://www.trailerseite.de/film/13/wochenendkrieger-kino-trailer-27523.html

Diesen Text zu schreiben hat mich jetzt viele Stunden über drei Tage verteilt gekostet. Herausgekommen ist der längste Text, den dieses Blog bislang gesehen hat und vermutlich noch für lange Zeit, vielleicht jemals, sehen wird. Trotzdem oder gerade deshalb hoffe ich, dass er einen interessanten und unterhaltsamen Blick auf das Hobby LARP ermöglicht - eine ganz andere Erfahrungswelt als Golf, jedoch ähnlich in seiner Eigenschaft, den Ausübenden ganz weit weg von seinem Alltagsleben zu führen. Auch LARP ist ein bisschen wie Therapie...

MfHUA
Stefan